Nicht mehr zeitgemäß

Das Unterhaltsrecht soll erneut modernisiert werden, um Müttern und Vätern nach einer Trennung die wechselnde Betreuung ihrer Kinder zu erleichtern

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Die Konstellation des „Residenzmodells“, bei dem nach einer Trennung grundsätzlich die Frau die Kinder betreut und der Mann dafür Unterhalt zu entrichten hat („Einer betreut, einer bezahlt“), ist in Deutschland immer noch weit verbreitet. Laut einer Umfrage des Instituts Allensbach für das Bundesfamilienministerium 2017 wohnen etwa drei Viertel der Kinder getrennt lebender Eltern ganz oder überwiegend bei den Müttern. Doch langsam ändert sich das – inzwischen verbringt etwa jedes zehnte Kind je die Hälfte der Zeit bei einem der Elternteile (s. taz thema recht, 2. 6. 2018, S. 51).

Um die Gesetzeslage der gesellschaftlichen Realität anzupassen und Müttern und Vätern nach einer Scheidung oder Trennung die gemeinsame Betreuung ihrer Kinder zu erleichtern – auch „Wechselmodell“ genannt –, will die Bundesregierung das Unterhaltsrecht nach der ersten Reform vor zehn Jahren nun erneut modernisieren. Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der FDP hervor. Die derzeitige Gesetzeslage stehe „seit Längerem auf dem Prüfstand“, heißt in dem Papier, aus dem die Süddeutsche Zeitung Ende Juli berichtete.

Mit ihrer Familienrechts­politik stecke die Bundesregierung „im letzten Jahrhundert fest“, sagte der FDP-Abgeordnete Daniel Föst der Süddeutschen Zeitung. Die Bundesregierung beurteilt die Sachlage in der Antwort auf die Kleine Anfrage immerhin ähnlich: Wenn Eltern sich nach einer Trennung die Betreuung teilten, seien die unterhaltsrechtlichen Folgen „teilweise wenig befriedigend“. Darum würden die Unterhaltsgesetze „gegenwärtig auf ihre Zeitgemäßheit geprüft“. Ein Streitpunkt, der auch beim Wechselmodell oft auftaucht, ist die Höhe der Unterhalts­zahlungen. Denn auch bei gleichberechtigter Kinderbetreuung muss der besser verdienende Partner eigentlich einen höheren Anteil des Unterhalts übernehmen. Über diese Frage wird dann oft auch vor Gericht gestritten.

Die damalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte das Unterhaltsrecht bereits 2008 mit dem Ziel reformiert, sich vom Leitmodell der Versorgerehe mit wenig oder gar nicht berufstätiger Ehefrau zu verabschieden. Der Grundsatz, dass es nach einer Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, bedeutete aber auch eine rechtliche Verschlechterung für die Frauen. Praktisch hat das oft zur Folge, dass alleinerziehende Frauen finanziell ziemlich schlecht dastehen, denn 70 Prozent aller Mütter arbeiten nicht voll (s. taz vom 19. 1. 2018, S. 3). Solange also nicht mehr dafür getan wird, dass Mütter Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können, bleibt auch das Unterhaltsrecht ungerecht. (os)