Familienstudie der AOK: Deutschland wird immer fetter

Die AOK hat 5000 Eltern zu ihren Gewohnheiten befragt, um Aussagen über Familiengesundheit zu treffen. Doch die Studie ist nicht differenziert genug.

Stilisierte Nachbildungen von Menschen in verschiedenen Lebensphasen an einer Fenstefront.

Seid ihr alle noch ganz gesund? Foto: dpa

„Träge Eltern haben dicke Kinder“. „Dicke Väter, faule Kinder“. „58 Prozent der Eltern sind übergewichtig“: So titeln deutsche Medien die Ergebnisse der Familienstudie, die zum vierten Mal von der AOK-Krankenkasse veröffentlicht wurde. Für die Studie hat das beauftragte IGES Institut knapp 5.000 Mütter und Väter von Januar bis März diesen Jahres befragt. Deren Ergebnisse sollen etwas über die Familiengesundheit der Deutschen aussagen, denn das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Eltern beeinflusst das der Kinder.

Und die Resultate sind auf den ersten Blick erschreckend: 72% der befragten Väter sind übergewichtig oder adipös genau wie 50% der befragten Mütter. Jede dritte Familie bewegt sich zu wenig. Und die Kinder hängen nur noch am Smartphone. Soll heißen: Knapp 60 Prozent der Kinder von vier bis sechs Jahren nutzen Medien länger als die von Expert*innen empfohlene halbe Stunde am Tag. Man sieht: Mit Deutschlands Familien geht es bergab.

Dem widerspricht ein weiteres Ergebnis der Familienstudie, denn den meisten Eltern in Deutschland geht es gut. 76% der Befragten bewerten ihre eigene Gesundheit als sehr gut oder gut. Seit der letzten Studie im Jahr 2014 ist damit ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Damals schätzten nur 69% ihre Gesundheit so positiv ein. Und auch die zeitlichen, finanziellen und körperlichen Belastungen der Eltern sinken. Die partnerschaftlichen und psychischen Belastungen sind jedoch leicht gestiegen.

Wägt man die Ergebnisse der Befragung miteinander ab, entsteht ein weniger skandalöses Bild als das von verschiedenen Medien gezeichnete. Zudem lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Ergebnisse und Methoden. Denn diese sagen nicht tatsächlich aus, wie übergewichtig oder faul die Befragten sind, sondern wie sie sich selbst einschätzen.

Lieber differenzieren statt skandalisieren

Die Daten zum Übergewicht beruhen alleine auf dem Body-Mass-Index (BMI), der nicht immer etwas über den Gesundheitszustand eines Menschen aussagt. Stark aktive Menschen haben beispielsweise aufgrund ihrer Muskelmasse ein höheres Körpergewicht. Ungesund macht sie das noch lange nicht.

Und auch bei den Ergebnissen zur Mediennutzung von Kindern fehlt eine nötige Differenzierung. Macht es ja einen Unterschied, ob Kinder dabei Egoshooter spielen, ihre Hausaufgaben machen oder Fernsehen gucken. Oder auch auf welchem Gerät und zu welcher Tageszeit sie es tun – da es dann unterschiedlichen Einfluss auf den Schlaf der Kinder hat.

Aufzuzeigen, dass Familien sich weniger bewegen als noch vor einien Jahren und die Ursachen dafür zu finden, kann hilfreich sein. Denn nur wenn Probleme aufgezeigt werden, können Lösungen dafür gefunden werden.

Doch die Autori*nnen der Familienstudie machen es sich zu leicht, fassen sie doch zusammen: „Wenn Eltern sich viel bewegen und mit ihren Kindern viel unternehmen, wirkt sich das positiv auf die Entwicklung und die Gesundheit der Kinder aus. Sie haben weniger Beschwerden und sind besser drauf.“ Doch wie gut drauf eine Person ist, hängt von deutlich mehr Komponenten ab als davon, wie übergewichtig jemand ist oder wie viel Zeit am Smartphone verbracht wird.

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