Acht Tage Crashkurs – fertig sind die neuen ErzieherInnen

Es sei illusorisch zu glauben, dass mit schnell ausgebildeten Hilfskräften anspruchsvolle Bildungsarbeit umzusetzen ist

Im vergangenen Jahr besuchten laut Statistischem Bundesamt rund 763.000 Kinder unter drei Jahren in Deutschland eine Kita, das waren 41.300 mehr als im Vorjahr. Der Kitaplatzausbau geht also durchaus voran: Die Zahl der Kitas stieg um 0,6 Prozent auf bundesweit rund 55.000 Einrichtungen. Allein in Berlin sollen laut der SPD-geführten Senatsverwaltung für Bildung bis 2025 25.000 neue Plätze entstehen.

Ob das reicht, ist fraglich. Berücksichtigt man Elternwünsche, die demografische Entwicklung und in Rente gehende ErzieherInnen fehlen laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts bis 2025 bundesweit rund 36.000 Fachkräfte. Denn einem Mehrbedarf von rund 310.000 Fachkräften stehen nur rund 274.000 AbsolventInnen gegenüber. Wollte man dann auch noch die Betreuungsqualität – also den Personalschlüssel – in den Kitas verbessern, stiege die Fachkräftelücke gar auf 310.000 an.

Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr fehlten bereits 2016 bundesweit rund 300.000 Kita-Plätze, um allen Elternwünschen nach Betreuung nachzukommen. In Mecklenburg-Vorpommern ist die „Betreuungslücke“ mit einem Defizit von 1.200 Plätzen oder 3,1 Prozent unerfüllten Elternwünschen am geringsten. In Bremen bleiben hingegen 20 Prozent der Elternwünsche offen. Berlin liegt mit 13 Prozent im Bundesschnitt.

Schuld am schleppenden Kitaplatzausbau ist vor allem ein Grund: der Fachkräftemangel. „Es schmerzt eigentlich überall“, sagt Elke Alsago, die bei der Gewerkschaft Verdi in der Bundes­arbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung sitzt.

Die Gründe, warum es wehtut, sind unterschiedlich: In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise gehe in den nächsten Jahren rund ein Viertel der Fachkräfte in Rente, sagt Alsago. Gleichzeitig haben die östlichen Bundesländer die schlechtesten Personalschlüssel: „Da wird der Qualitätsausbau in den nächsten Jahren ganz dringend.“

In Schleswig-Holstein und Niedersachsen hingegen habe man kürzlich die elterliche Beitragsfreiheit für acht Stunden Betreuung am Tag beschlossen. „Da hat man eine Nachfrage für den Ganztag generiert, ohne die Fachkräfte dafür zu haben“, sagt Alsago.

Die Länder behelfen sich bei der Fachkräfteakquise mit Flickschusterei: „Das ist ein ziemlicher Wildwuchs, da denkt sich jede Kommune quasi ihre eigene Ausbildung aus“, sagt Alsago.

In Mainz zum Beispiel würden QuereinsteigerInnen in einem achttägigen Crashkurs zu „Zweitkräften“ ausgebildet. In Mecklenburg-Vorpommern können sich seit neuestem SeiteneinsteigerInnen in einer dualen Ausbildung zum „Staatlich anerkannten Erzieher für 0- bis 10-Jährige“ weiterbilden. Doch auch hier werden die Azubis, gleiches Problem wie in Berlin, in ihren Ausbildungsbetrieben sofort auf den Erzieherschlüssel angerechnet – man hat also auf dem Papier Fachkräfte, die aber eigentlich Auszubildende sind.

Diese Flickschusterei bei der ErzieherInnenausbildung mache eine wirkliche Verbesserung der Personalsituation auf lange Sicht sogar schwieriger, fürchtet die Verdi-Expertin: „Es ist illusorisch zu glauben, dass ich mit schnell ausgebildeten Hilfskräften anspruchsvolle Bildungsarbeit umsetzen kann.“

Und das vergrault dann wiederum die gut ausgebildeten ErzieherInnen: Einer aktuellen Studie der Weiterbildungsinitiative zufolge arbeiten rund ein Viertel der Fachkräfte nach fünf Jahren nicht mehr in ihrem Beruf. Der Hauptgrund: mangelnde Gestaltungsspielräume. Anna Klöpper