Weltmusik am Rande der Welt

Mit dem ersten Perleberg-Festival zogen vor acht Jahren Welt- und Folkmusik auf dem platten Land in Brandenburg ein. Längst ist das Event Vorbild für andere Festivals dieser Art. Statt aus Afrika gibt es Exotisches aus Polen, Tschechien und Irland

VON BEATE SELDERS

Perleberg, im Nordwesten Brandenburgs, ist ein Idyll aus Fachwerk und Spätmittelalter. Gelegen auf einer Flussinsel, findet hier seit 1998 jährlich ein durchaus beachtetes Festival für Folk- und Weltmusik statt. So wollen auch heute und morgen wieder rund 20 Gruppen mit irischem und polnischem Folk, slowakischem Rock, Klezmer, Reggae, Blues und Flamenco aufdrehen. Gespielt wird in Kirchen, alten Innenhöfen und auf Plätzen.

Gestartet war der Event als spitzenmäßig finanzierte Initiative des Landes im Rahmen des Programms „Tolerantes Brandenburg“. Mit 240.000 Mark konnte 1998 und in den folgenden zwei Jahren ein international konkurrenzfähiges Programm auf die Beine gestellt werden. Branchengrößen wie Stella Chiweshe aus Simbabwe und Mabulu aus Mosambik traten auf. Auf den Podien des politischen Rahmenprogramms saßen hochkarätige Diskutanten. Das Festival sollte für Weltoffenheit auf dem Land stehen, ein Markenzeichen für den Landkreis Prignitz werden und das brandenburgische Pendant zum Folk-Festival im thüringischen Rudolstadt sein.

Eine gute Sache, aber mit Ansprüchen überfrachtet, sagen die heutigen Organisatoren. Denn nach den ersten drei Festivals versiegte das Geld, die eigens für die Organisation eingerichteten ABM-Stellen entfielen. Um das Festival am Leben zu halten, gründete sich in der Stadt ein Freundeskreis, der in Kooperation mit dem Brandenburgischen Haus der Kulturen „Al Globe“ in Potsdam das Festival bis heute managt. Das Budget besteht inzwischen nur noch aus einem Bruchteil der früheren Summe. Die KünstlerInnen reisen nicht mehr aus fernen Kontinenten an, sondern aus Polen, Tschechien oder Berlin. „Das musikalische Niveau wird aber gehalten“, sagt Martin Krüger vom Festival-Büro. „Kein Giganten-Festival, sondern ein künstlerisch hochwertig besetztes Programm.“

Für Almut Berger, Ausländerbeauftragte des Landes, die das Projekt mit auf den Weg brachte, ist das Perleberg-Festival eine Erfolgsgeschichte. Ein gelungenes Pilotprojekt. „Genau das haben wir uns gewünscht. Eine Landesinitiative, die von regionalen Akteuren aufgegriffen und fortgeführt wird.“ Tatsächlich macht Perleberg Schule. Nun haben auch Spremberg, Belzig, Fohrde und Angermünde kleine Festivals. Jüngste Kopie ist das Brückenfest in Ludwigsfelde.

Das Brandenburgische Haus der Kulturen unterstützt diese Projekte organisatorisch und finanziell mit dem Programm „Al Globe-Überland“. „Man muss die bunten Pflanzen auf der Landkarte von Brandenburg pflegen“, sagt Mitarbeiterin Claudia Frenzel und erzählt ihre Lieblingsanekdote vom Perleberger Schützenverein. Der hatte, angeregt durch das Weltmusik-Festival, für sein eigenes Schützenfest schließlich eine afrikanische Gruppe engagiert.

Auf dem diesjährigen Festival veranstaltet „Al Globe“ eine Weltmusik-Diskothek und einen internationalen Markt auf dem Perleberger Marktplatz. Gleich dahinter, mit Zugang zum Wasser, befindet sich der Judenhof – ein Grundriss der einstigen jüdischen Siedlung mit Synagoge, Ritus-Bad und Gerichtshof aus dem 13. Jahrhundert. Das Ensemble ist das einzige, das deutschlandweit erhalten blieb. Errichtet in einer Zeit, in der Juden nicht verfolgt, sondern hofiert und umworben wurden und ein wichtiger Teil der städtischen Besiedelung Brandenburgs waren. Anfang August wurde der Judenhof als Ausstellungsort eröffnet. Während des Festivals ist hier das Duo Kellermann und Rieck zu hören, mit Liedern nach Texten des jüdischen Sozialisten Theodor Kramer. Und natürlich Klezmer, gespielt von der Gruppe Foyal.

8. Perleberg-Festival für Folk. Lied und Weltmusik 2. und 3. September 2005, www.perleberg-festival.de