Tim Caspar Boehme
hört auf den Sound der Stadt
:

Konzerte während der WM müssen es nicht unbedingt schwer haben. In der Regel finden sich für die Musik am Abend genügend Fußballuninteressierte oder WM-Skeptiker, die für genügend Zulauf sorgen – mag es derzeit noch so viele großflächige Übertragungs-und-Bewirtungsangebote draußen und drinnen geben. Man könnte daher durchaus überlegen, am Donnerstag statt der Partie Argentinien – Kroatien mal im Hotel Orania.Berlin zu schauen, was der Pianist Alexander von Schlippenbach im Duo mit dem Schlagzeuger Michael Griener zu bieten hat. Mit einiger Wahrscheinlichkeit Free Jazz mit Zwölftonimprovisationen, was keine verkehrte Wahl ist (Oranienplatz 17, 19 Uhr, 12 €).

Man kann die Sache auch defensiv angehen und das eigene Konzertangebot ins Kampfgeschehen integrieren. Das tut der deutsch-türkisch-armenische Komponist und Gitarrist Marc Sinan mit seinem Programm „Schlachten III“ am Samstag im Ra­dial­sys­tem. Zunächst kann man sich saisongerecht draußen beim Spanferkel stärken, dann bringt die Marc Sinan Company sein Werk „The Number of the Beast“ zur Uraufführung – dessen Klänge kaum zum gesättigten Wegdämmern geeignet sein dürften, auch die energische Sängerin Jelena Kuljić wird das zu verhindern wissen. So sind dann alle hinreichend geistesgegenwärtig für die anschließend dort übertragene Begegnung Deutschland – Schweden (Holzmarktstr. 33, ab 17 Uhr, 20, 80/14.20 €).

Sonntag wird das Spiel Polen – Kolumbien einfach ignoriert, denn dafür gibt es gleich zwei gute Gründe: Man begibt sich entweder in die Kantine am Berghain und lässt sich von den Texanern des Golden Dawn Arkestra mit auf Weltraumexkursion nehmen. Das Kollektiv setzt auf ein diverses Programm aus Afrofuturismus, psychedelischem Rock, Funk, Afrobeat und 60er-Jahre-Soundtracks und wird für dieses Engagement von allen musikliebenden Menschen sofort in den eigenen Kosmos integriert (Rüdersdorfer Str. 70, 20 Uhr, 18 €).

Oder man hält sich an die strengeren, aber nicht minder ansprechenden Klänge der argentinischen Elektroakustikerin Beatriz Ferreyra, die zur selben Zeit den Kiezsalon der Musikbrauerei Berlin bespielen wird. Die 1937 geborene Komponistin, die lange in Paris gelebt und gearbeitet hat, liefert mit ihrer Musik den unmittelbar effektiven Beweis, dass akademische Tonsetzerei die Affekte und den ganzen Körper mindestens genauso stark einzubeziehen weiß wie manch viszerale oder einfach eingängige Tonkunst. Ebenfalls zugegen: das Bostoner Alternativrock-Trio E um Sängerin Thalia Zedek (Greifswalder Str. 23 a, 21 Uhr, 10 €).