Gerücht um Gerücht, Dementi gegen Dementi – wenn an diesem Montag die Vorstände von CDU und CSU tagen, ist die Stimmung mies

Horst Seehofers CSU fordert Angela Merkels Kopf. Nach einem Wochenende gegenseitiger Unterstellungen und Zurückweisungen ist das klarer denn je. Sollte der Innenminister nach der heutigen Vorstandssitzung im Alleingang Geflüchtete zurückweisen, wäre es das Ende der Koalition

Von Anja Maier

Hat er es gesagt oder nicht? Die Vehemenz, mit der über die Frage diskutiert wird, ob Horst Seehofer tatsächlich über Angela Merkel gesagt hat, er könne „mit der Frau nicht mehr arbeiten“, entspricht der Dramatik der Lage. Seit letzte Woche der Riss zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU unübersehbar klafft, steht nicht weniger als die Zukunft der Koalition auf dem Spiel.

Seit der Bundesinnenminister angekündigt hat, notfalls in seiner Ressortzu­ständigkeit die Zurückweisung von schon einmal registrierten Flüchtlingen an der deutschen Grenze anzuordnen, ist offensichtlich, dass es seiner CSU um Angela Merkels Kopf geht. Die Kanzlerin, gegen deren Richtlinienkompetenz Seehofer damit verstoßen würde, müsste ihren Minister entlassen. Das wäre das Ende der Fraktionsgemeinschaft und wohl auch der Koalition.

Für diesen Montag sind in München und Berlin die Gremiensitzungen der beiden Parteien anberaumt. Im Konrad-Adenauer-Haus tagen ab 9 Uhr nacheinander CDU-Präsidium und -Vorstand. In der Münchner Zentrale beginnt die Vorstandssitzung gegen 10 Uhr. Für 14 Uhr ist dann die Presseunterrichtung durch Seehofer geplant, um kurz vor drei die von Merkel in Berlin. Es wird damit gerechnet, dass der CSU-Vorstand einstimmig den Alleingang des Bundesinnenministers in der Flüchtlingsfrage beschließt.

Merkel wollte sich am Sonntagabend noch einmal mit ihren engsten Vertrauten abstimmen. An dem Treffen sollten neben Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer unter anderem die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (Hessen), Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) teilnehmen. Dass die Runde zunächst gemeinsam das WM-Auftaktspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Mexiko schauen wollte, darf getrost unter „Pokerface bewahren“ abgebucht werden.

Seit Tagen switchen zwischen Seehofers CSU und Merkels CDU die Emissäre hin und her. Die Nachrichtenlage ist entsprechend unübersichtlich. Mal heißt es, die Kanzlerin plane einen EU-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik Ende kommender Woche, was vom Bundespresseamt dementiert wird. Ein Kompromiss, bei dem Seehofer zwar den entsprechenden Erlass ergehen, aber erst nach dem EU-Gipfel Ende Juni in Kraft treten ließe, wird hingegen CSU-seitig dementiert. Dann wieder richtet Horst Seehofer seiner Kontrahentin via Frankfurter Allgemeine Zeitung aus, die Lage sei „ernst, aber bewältigbar“. Und, ach ja, Nägel mit Köpfen macht er auch noch, solange es geht.

Am Sonntag wurde bekannt, dass der neue Leiter der Bundesanstalt für Mi­gration und Flüchtlinge ein Ministerialrat aus dem bayerischen Innenministerium werden soll. Hans-Eckhard Sommer würde damit auf die von Seehofer gerade geschasste Bamf-Leiterin Jutta Cordt folgen.

Zu dem heftigen Streit in Berlin meldete sich am Sonntag auch Jean-Claude Juncker zu Wort. Der EU-Kommissionspräsident sagte der Stuttgarter Zeitung: „Wenn Politiker den Populisten nachlaufen, dann wird es am Ende so sein, dass die Menschen die Populisten wählen – und nicht die klassischen Parteien.“ Juncker will am Dienstag zu einem Treffen der deutschen Kanzlerin mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach Meseberg bei Berlin kommen. Bei dem Treffen soll der EU-Gipfel zur Asylpolitik und zur Reform am 28. und 29. Juni vorbereitet werden. Juncker mahnte, Europa müsse der Kontinent bleiben, „der denjenigen Schutz gewährt, die vor politischer Verfolgung, Gewalt oder Erniedrigung fliehen“.