Hamburger Szene von Lena Kaiser
: Was ist Youthism?

Neulich Nacht fiel es mir wieder ein. Ich hatte gerade das Interview „Das passt einfach nicht“ gelesen mit dem Sprecher der GLS Bank, die der AfD-nahen Erasmus-Stiftung ein Konto gekündigt hatte. Wie wäre esmit einem Konto bei der Anthroposophenbank? Das muss doch ein Unternehmen sein, das Menschen liebt und sie bestimmt nicht übers Ohr haut.

In meiner Welt scheiden sich an dieser Weltanschauung die Geister. Nach rechts offene, esoterische Spinner, warnen die einen. Umweltbewusste Lebensbejaher im Auftrag einer besseren Welt, unterstreichen die anderen. Den meisten ist die Anthroposophie allerdings ziemlich egal und man muss sich schon interessieren, um sich eine Meinung zu bilden.

Ich persönlich habe gute und weniger gute Erfahrungen mit Anthroposophen gemacht und lehne ihre Überzeugungen nicht ab, lasse mich aber auch nicht so recht begeistern. Ich betrachte ihr Gedankengebäude als eine Gehhilfe, auf die ich glücklicherweise verzichten kann. Meine liebe Schwester ist da überzeugter und was sie gut findet, kann so schlecht eigentlich nicht sein. Schon klar, das klingt jetzt nicht besonders emanzipiert. Aber so sind die Menschen nun mal. Sie schenken den einen Vertrauen und entziehen es den anderen. Und dafür haben sie Gründe.

Ich mache mich auf den Weg in die Neustadt, betrete die Bankfiliale neben dem alten Herrengrabenfleet. Die Sonne scheint durch die hohen Fenster, irgendwo plätschert Wasser und als Werbeträger dienen nicht etwa Gummibärchen, sondern kleine Tütchen mit Bio-Möhrensaat.

Alles ist so einladend und trotzdem bin ich hier irgendwie falsch. Denn diese Filiale ist gar nicht für die schnöden Anliegen rund ums Girokonto zuständig. „Das machen die Kollegen in Bochum“, sagt die freundliche Mitarbeiterin. Die Kolleg*innen hier in Hamburg sollen ihre Zeit lieber für die Beratung verwenden. „Junge Leute wie Sie können sich hier über Altersvorsorge informieren.“

Hm, denke ich, wie lange ist man eigentlich ein junger Mensch? Ist das Youthism? Ich gehe bald auf die 40 zu und ich glaube über Altersvorsorge denken vor allem Menschen nach, die genügend Geld und nicht so viele Sorgen haben. Meine Gedanken sind aber ganz woanders. Mich stört es mit „junge Leute wie Sie“ angesprochen zu werden. Ich fühle mich klein gemacht.

Gemeinhin hieß es, das Alter bringe Weisheit mit sich, beschere also einen Vorsprung und lasse die Anderen, Ahnungsloseren zurück. „Junge Menschen“ wie ich gelten als grün hinter den Ohren, man muss uns nicht für voll nehmen. Uns an die Hand nehmen und mit uns über unsere Altersvorsorge nachdenken, denn das kriegen wir alleine nicht hin.

Das hat die nette Frau bestimmt nicht so gemeint. Sie hat es sicher gut gemeint. Doch angesprochen hat sie mich damit irgendwie doch nicht.