Dominic Johnson über den Freispruch für Jean-Pierre Bemba
: Super-GAU für die Weltjustiz

Als Jean-Pierre Bemba vor gut zwei Jahren vom Internationalen Strafgerichtshof schuldig gesprochen und wenig später zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, galt dies als Meilenstein in der Geschichte der internationalen Justiz. Das Urteil über den Kongolesen wegen Kriegsverbrechen seiner Truppen in der Zentralafrikanischen Republik war das erste des Weltgerichts, das das Prinzip der „Vor­ge­setz­ten­verantwortlichkeit“ anwandte – den Grundsatz, dass ein Befehlshaber für die Taten seiner Untergebenen haftet. Es war auch das erste des Gerichts, das sexualisierte Kriegsverbrechen ahndete. Für Juristen und Menschenrechtler bedeutete dieses Urteil Neuland in der Anwendung des Völkerstrafrechts und im Kampf gegen Straflosigkeit.

Nun hat eine Berufungskammer des Strafgerichtshofs Bemba in allen Punkten freigesprochen und das Verfahren eingestellt. Auch das ist ein Meilenstein in der internationalen Justizgeschichte. Aber damit betritt man kein Neuland, sondern verliert den Boden unter den Füßen. Für die Weltjustiz ist das neue Urteil in Sachen Bemba ein Super-GAU.

Wenn zwei verschiedene Kammern ein und desselben Tribunals in ein und demselben Fall aufgrund genau derselben Beweislage zu genau gegensätzlichen Schlüssen kommen, welcher Wert ist dann einem Urteil aus Den Haag noch beizumessen? Jeder, der sich mit der Verfolgung oder Verteidigung von Völkerrechtsstraftätern befasst, kann nun irgendwelche Sätze aus irgendeinem Bemba-Urteil anführen, um irgendetwas zu behaupten. Für Akteure in den andauernden Konflikten des Kongo und der Zentralafrikanischen Repu­blik gilt das erst recht.

Nicht zuletzt müssen der Strafgerichtshof und seine Anklagebehörde nun mit dem Vorwurf der politischen Instrumentalisierung leben. Es war ein Skandal, dass Jean-Pierre Bemba festgenommen wurde, als er der anerkannte politische Oppositionsführer seines Landes war, während ähnlich vorbelastete Kongolesen auf Regierungsseite unbehelligt blieben. Er kam außerdem für Verbrechen in einem anderen Land vor Gericht, während aus diesem Land niemand von Den Haag zur Rechenschaft gezogen wurde. So hätte dieser Fall nie zur Anklage zugelassen werden dürfen. Die Bedenken wurden damals schon geäußert – und ignoriert. Das hat Den Haag jetzt davon.