Mord auf der Insel

Berichte über Kriminalität sind höchst selektiv

Von Gareth Joswig

Was wäre wohl los gewesen, wenn es anders herum wäre? Was wäre gewesen, wenn zwei Geflüchtete einen Deutschen umgebracht hätten, weil der mit der Freundin des einen und Schwester des anderen geflirtet und noch dazu der Vorwurf der Vergewaltigung im Raum gestanden hätte? Die Bild würde auf Seite eins titeln: „Ehrenmord in den Dünen“. Die rechte Troll-Armee würde #Amrum auf sämtlichen Social-Medie-Kanälen nach vorne pöbeln, Nazi-Mahnwachsen würden abgehalten, der Diskurs noch weiter nach rechts verschoben. Freiburg, Kandel, Amrum.

Wenn aber zwei Deutsche einen Geflüchteten umbringen, wie auf der nordfriesischen Insel Amrum geschehen, und zwar aus Motiven, die durchaus an einen Ehrenmord erinnern, berichtet hauptsächlich der Amrumer Inselbote, kaum jemand bekommt überhaupt von dem Mord mit.

Das Opfer, der integrierte und vom Inselboten als lebensbejahend beschriebene Iraker Ceetin K., hatte Familie in Deutschland und malte sich eine Zukunft in Nordfriesland aus. Er kannte seine späteren Mörder, denen es um die Schwester eines der Mörder ging, die wiederum mit dem anderen zusammen war. Ihr Freund fand Fotos in vertraut-kuscheliger Pose von ihr und K. auf ihrem Smartphone. Als er sie damit konfrontierte, behauptete sie, K. habe sie vergewaltigt.

Die beiden Männer, verabredeten sich daraufhin mit K. in den Dünen, rauchten ein wenig Hasch und teilten sich zu dritt eine Flasche Jägermeister. Sie fragten ihn, ob er mit der Schwester und Freundin geschlafen habe. Er soll verlegen gelächelt haben und da gaben sich seine Mörder ein Zeichen, prügelten mit der Flasche und stachen mit einem Messer auf ihn ein. Bis er sich nicht mehr regte. Tags darauf verscharrten sie ihn im Sand und tauchten ab. Nach einer wochenlangen Suche flogen die Täter auf, beide gestanden.

Das Gericht hielt den Vorwurf der Vergewaltigung für unwahrscheinlich. Und sah es als erwiesen an, dass es sich um eine geplanten Mord handelte. Die beiden Männer wurden zu lebenslanger Haft beziehungsweise nach Jugendstrafrecht zu siebeneinhalb Jahren verurteilt..

Der Mordfall von Amrum zeigt: Die Selektivität von Kriminalitätsberichterstattung ist ein handfestes Problem. Und die Nationalität von Täter*innen spielt mittlerweile auch in großen Zeitungen, Pressekodex hin oder her, eine Rolle.