Da geht noch was

Reift da womöglich ein Spezialist für große Radrundfahrten heran? Der Berliner Jungprofi Maximilian Schachmann überzeugt beim Giro d’Italia

Küsschen hier, Küsschen da: Jungprofi Maximilian Schachmann wird beimn Giro abgebusselt Foto: imago

Aus Pesco Sannita Tom Mustroph

Hat Deutschland wieder ein Rundfahrttalent? Diese Frage wird gerade wieder gern gestellt, denn beim Giro d’Italia hält Rundfahrtdebütant Maximilian Schachmann verblüffend gut mit den Besten mit. Erst holte der 24-Jährige beim Prolog in Jerusalem einen beachtlichen achten Platz, der ihm das weiße Trikot des besten Jungprofis bescherte. Dann verteidigte er das Trikot auf den Etappen im „Heiligen Land“; auch beim von Windböen gekennzeichneten Ritt durch die Negev-Wüste hielt er mit. Parallel half er seinem Kapitän Elia Viviani bei dessen zwei Etappensiegen im Massensprint.

„Maximilian ist unglaublich wichtig in der Sprintvorbereitung für mich“, sagt Olympiasieger Viviani über den Kollegen. Er schätzt an ihm die Schnellkraft in den Beinen, aber auch den Willen zu lernen. „Er hat viel Potenzial. Er gehört schon jetzt bei uns zu den geschützten Fahrern“, sagt Viviani der taz. Für einen Rundfahrtdebütanten mitten im hoch dekorierten Quick-Step-Rennstall ist das schon eine ganze Menge.

Die Gesamtwertung

1. Simon Yates 31h 43’ 12”

2. Tom Dumoulin +0’ 16”

3. Esteban Chaves +0’ 26”

4. Thibaut Pinot +0’ 41”

5. Domenico Pozzovivo +0’ 43”

6. Rohan Dennis +0’ 53”

7. Lopez de Armentia +01’ 03”

8. Richard Carapaz +01’ 06”

9. Chris Froome +1’ 10”

19. Max. Schachmann +02’ 02”

Die Runde

Der Giro d’Italia läuft noch bis zum 27. Mai. Das Rennen startete mit einem Einzelzeitfahren in Jerusalem. Bevor es Italien erreichte, fanden zwei weitere Etappen in Israel statt. Die Rundfahrt wird nach 3.539 km in Rom enden. Seit 1909 wird der Giro – mit Ausnahme der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs – während dreier Wochen im Mai ausgetragen.

Auf dem Ätna verlor Schachmann dann zwar sein weißes Trikot. „Es war ein harter Tag. Ich fühlte mich aber gut, jedenfalls bis zum letzten steilen Part. Dort explodierten dann meine Beine. Ich hatte Krämpfe und es war alles andere als einfach. Aber ich fuhr in meinem Tempo zum Ziel“, sagte er danach.

Der Rückschlag am ersten großen Rundfahrtberg seiner Karriere deprimierte den jungen Burschen aber nicht. Beim zweiten echten Berg im Giro, am Samstag in Montevergine, kam er wieder mit der Gruppe um den Mann im rosa Trikot am Zielstrich an, dabei hatte er auch einen Schreckmoment zu überstehen: „Ich hatte Glück, beide Räder auf der Straße zu behalten, als Froome genau vor mir zu Boden ging“, sagte er.

Froome in Sichtweite zu haben, und nicht über ihn zu stürzen, wenn der Brite sein Rad nicht beherrscht, gehört zur Rundfahrtkür des Debütanten. „Max hat hier alle Freiheiten und gar keinen Druck. Er soll sich ausprobieren und lernen, wie eine dreiwöchige Rundfahrt funktioniert“, beschreibt Viviani das Tätigkeitsfeld seines jungen Kollegen. Schachmann selbst sieht sich durchaus als Rundfahrer. „Bis zur U23 war ich vor allem Zeitfahrspezialist. Im letzten Jahr habe ich aber gemerkt, dass es berghoch auch immer besser geht“, sagte er taz am Rande des Giro und formulierte klar: „Ich will ein Rundfahrer werden. Ob es für eine Grand Tour reicht, muss man sehen. Das ist natürlich der Traum von fast allen Rennfahrern. Aber erst einmal fasse ich einwöchige Rundfahrten wie die Tour de Romandie ins Auge.“

„Im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass es berg- hoch immer besser geht“

Maximilian Schachmann

Der Verlauf des ersten Drittel des Giro d’Italia bestätigt Schachmanns Selbsteinschätzung. Die kommenden zwei Wochen werden zeigen, ob der in Berlin-Lichtenberg aufgewachsene Sportler auch das Zeug für die großen Rundfahrten wie die Tour de France hat. Hat er es, wäre das ein schönes Paradox. Denn der Berliner Stadtteil Lichtenberg hat zwar den Berg im Namen, den „Lichtenberg“ sucht man in diesem Ostberliner Bezirk aber vergebens. Die Muskulatur fürs Klettern hat Maximilian Schachmann dennoch. Er bildet sie auch weiter zu Hause aus. „Ich bin jetzt nach Köpenick gezogen, auch wegen der schönen Routen zum Müggelsee raus oder nach Bad Saarow, Buckow oder Strausberg. Vor allem im Süden Berlins gibt es ein ausgebautes Netz von Radwegen. Angesichts der vielen Unfälle, die auf den Straßen passieren, ist mir das sicherer“, sagt er taz. Vor allem im Sommer ist er dort unterwegs.

Sollte es mit seiner Entwicklung so weitergehen, wird er in den nächsten Jahren den Sommer aber nicht in Buckow oder Bad Saarow verbringen, sondern in den Alpen und Pyrenäen. Aktuell ist er schon mal der bestplatzierte Quick-Step-Profi im Klassement – eine Rolle, die vor ihm die Rund­fahrt­experten Dan Martin aus Irland oder der Kolumbianer Rigoberto Uran innehatten.