Friede, Freude, Klassenkampf

Party auf dem Myfest, Protesttourismus nach Grunewald, 18-Uhr-Demo im PKK-Outfit: Der 1. Mai war politisch bunter als zuletzt. Polizei spricht von „entspannten“ Besuchern

1. Mai in bunt: Besucher auf dem Myfest Foto: André Wunstorf

Das war ein spannender 1. Mai in Berlin mit viel Neuem – so viel lässt sich bereits am frühen Abend sagen. Wie immer zogen viele Zehntausend Menschen durch die Straßen, feiernd oder demonstrierend und manchmal auch beides. Etwa in Grunewald: Zum Protestzug „Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg“, der dieses Jahr zum ersten Mal stattfand, kamen mehrere Tausend Demonstranten und damit deutlich mehr als von Polizei und Veranstaltern erwartet. Prompt mussten Letztere ihr Versprechen brechen, auf jeden Fall pünktlich um 17 Uhr fertig zu sein, damit alle, die wollten, rechtzeitig zum Start der 18-Uhr-Demo am Oranienplatz sein konnten.

Schuld daran war auch die Polizei, die den Demozug zwischenzeitlich fast eine Stunde stehen ließ, um ihn anschließend wegen angeblicher „Sachbeschädigungen“ im Spalier zu eskortieren. Nach Einschätzung von Beobachtern wurden lediglich Spuckis geklebt. Die Stimmung auf der Demo blieb jedoch entspannt, heiter, gelöst, aber mit politisch dezidierten Forderungen nach mehr Wohnraum und Gerechtigkeit à la „Eigentum ist Diebstahl“.

Trotz der Konkurrenz versammelten sich laut Polizei kurz nach 18 Uhr rund 1.500 Menschen zur nicht angemeldeten Demo am Oranienplatz. Die Polizei bemühte sich um Kontaktaufnahme: „Unsere Kollegen machen sich auf die Suche nach dem Veranstaltungsleiter für Absprachen“, schrieb ein Sprecher auf Twitter. Über dem Platz kreiste ein Hubschrauber.

Anschließend zogen die Demonstranten durch das Myfest; dabei wurden auch kurdische Symbole und Flaggen der verbotenen PKK gezeigt. Die Polizei schritt nicht ein; gegen 19 Uhr hatte die Demo das Gelände des Myfests verlassen.

Das Kreuzberger Fest, einst gegründet, um Krawallen den Raum zu nehmen, war etwas weniger stark besucht als in den vergangenen Jahren, doch vor allem auf der Oranienstraße war kaum ein Durchkommen. Es ging – wie zuletzt immer – ums Saufen, Tanzen und Feiern. Zum Leidwesen von Politikern wie dem langjährigen Grünen-Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, der mit der U-Bahn zum Myfest gekommen war. Er denke mit Wehmut an den 1. Mai vor zehn Jahren, sagte er der taz. „Da haben alle Wert darauf gelegt, dass das Myfest eine politische Note behält.“ Seine Nachfolgerin im Bundestag, Canan Bayram, sagte, das Myfest sei doch sehr „volksfestartig“. Tatsächlich wirkten die Grünen mit ihrem Stand an der Skalitzer Straße zwischen all den Betrunkenen ein bisschen wie von einem anderen Stern.

Angespannt ist die Lage am geschlossenen „Görli“

Angespannt war die Lage seit dem späten Nachmittag am Görlitzer Park, dessen Zugänge erstmals kontrolliert und gegen 17 Uhr wegen Überfüllung geschlossen wurden. „Derzeit haben wir eine hundertprozentige Auslastung“, so die Polizei. Das entspreche in etwa einer Anzahl von 10.000 bis 15.000 Besuchern. An einigen Eingängen kam es kurzzeitig zu tumultartigen Szenen. Dennoch gab sich die Polizei entspannt: „Die Leute sind überwiegend gut gelaunt, die Stimmung ist entspannt“, so ein Sprecher. Insgesamt waren rund 5.300 Beamte unterwegs. (bis, epe, all)