Schwarz Contemporary
: Blaue Zeitlichkeit: Johanna Jaegers fotografisches Gedächtnis

Johanna Jaeger, „developing horizon“, 2017, five archival pigment prints, each 41, 5 x 27, 5 cm Foto: Johanna Jaeger; Courtesy of SCHWARZ CONTEMPORARY

Fotografie ist bei Johanna Jaeger Medium und Inhalt zugleich. Und Fotografie steht bei Jaeger in besonderer Beziehung zu Blau. Ihre Ausstellung „checkerboard sky“ bei SCHWARZ CONTEMPORARY zeigt zudem, dass die Künstlerin in ihrer Arbeitsweise eine eigene „Fotografiezeit“ entwickelt hat, die analog zur „Filmzeit“ des Kinos natürliche Zeitzusammenhänge zitiert und abstrahiert und dabei eigene Zeitlichkeiten entwirft. Zunächst verdoppelt Jaeger die Fotografie: In der Arbeit „developing horizon“ treten fotografische Techniken als Bildverursacher und Bildinhalt gleichzeitig in Erscheinung. Fünf Momentaufnahmen vollziehen aus der Draufsicht nach, wie sich ein soeben geschossenes Polaroid in verschieden Farbstadien zum aufgenommen Horizont zusammensetzt. Der so dokumentierte Verlauf bis zur vollständigen Selbstentwicklung entzieht dem Sofortbildverfahren die Unmittelbarkeit. Jaegers Arbeit verlangsamt und archiviert genau diejenigen Schritte, die das Polaroid seiner Berufung nach zu überspringen sucht. Das Motiv Horizont inszeniert dabei die räumliche Entfernung als Äquivalent zur zeitlichen Verlangsamung. Der Wanddruck „studio sky (checkerboard clouds)“ zeigt nebenan einen umgedrehten Himmel, der auf Deckenkante und Raummitte trifft. Auch dieser setzt sich also als Horizontgeber in Szene. Die Negativ- und Positivwolken erscheinen allerdings nicht als geometrisches Raster, sondern als organische Formation von Wassertröpfchen. Auch im flüssigen und gefrorenen Zustand animiert Wasser Jaegers Zeit-Machen. So färbt sie das Wasser mit Tinte, die wiederum selbst gefärbtes Wasser ist. In der Videoschleife „unstill (20 minutes)“ breitet sie sich genüsslich vom oberen Bildrand hinab aus. Am eindringlichsten fotografierte Jaeger die Zeit in sieben Momenten für „melting time“: Ein in Eis eingelassener Kreis aus Tinte zerschmilzt in einer Entwicklerwanne. Die Stadien des Zu-Tintenwasser-Werdens sind im letzten Bild gänzlich vom Zufall eingenommen: am nächsten Tag – die Kamera stand noch – war das Blau omnipräsent geworden. nym

Bis 28. 4., Mi.–Sa. 12– 18 Uhr, Sanderstr. 28