Eine große MengeLuft nach vorn

Beim Golf Masters in Augusta gewinnt dermäßig beliebte US-Amerikaner Patrick Reed

Unbeirrbar: Patrick Reed lässt sich von der Aufholjagd der Konkurrenz nicht beein­drucken Foto: reuters

Der ohnehin schrullenreiche Augusta National Golf Club, wo Traditionspflege alles ist, hat gleich nach dem letzten Put des Turniers noch ein besonderes Extra parat. Der Masters-Sieger wird in die butler cabin gebeten. Das ist ein kleiner Raum mit Holzstühlen, einem Ölschinken mit Golfermotiv über dem Kamin und einem sinnfrei platzierten Bücherstapel auf einem Tischchen im Hintergrund. Der Sieger muss da sitzen wie ein Schuljunge und warten.

Dann folgt immer, wie es die kanadische Zeitung The Globe and Mailjetzt nannte, „das gekünsteltste und peinlichste Ritual des Weltsports“. Staubtrocken erhebt der Klubpräsident im grünen Jackett das Wort, Fred Ripley, ein steifer Mann mit einer 1962er-Frisur, zurecht geföhnt oder gleich ein Toupet – man weiß das nicht genau. Nach ein wenig Smalltalk darf der Vorjahressieger, hier der Spanier Sergio Garcia, im grünem Jackett seinem Nachfolger ins grüne Siegerjackett helfen. Sonntagnacht war man gespannt, ob die Klubfürsten für den doch recht speckigen Überraschungssieger Patrick Reed, 27, aus den USA das passende XXL-Format vorgehalten hätte. Sie hatten nicht. Sie hatten ein XXXL-Jackett.

Als es am rotwangigen Reed herunterhing fast wie ein deplatzierter Müllsack, zog er vor dem Bauch ein paar Mal dran und entdeckte gequält lächelnd eine Menge Luft nach vorn. Eine Spur von Demütigung für einen auch in den golfchauvinistischen USA mäßig beliebten Landsmann. Botschaft: Du magst ein noch so großer Sieger sein, wir in Augusta, Georgia sind immer noch eine Spur größer.

Patrick Reed gilt als vorlaut, eigenbrötlerisch, polarisierend, ein mäßig sympathisches Großmaul. Kaum hatte er vor Jahren sein erstes Turnier gewonnen, zählte er sich gleich zu den fünf besten Spielern seines Landes – was in der weltklassereichen Golfnation eine Menge Leute auf Platz 6 folgende abstufte. Die Kollegen nannten ihn seitdem „Mr. America“ oder grüßten ihn mit „Hello, Top Five“. Reed sagt, Spott sei ihm wumpe: „Ist mir egal, ob ich angefeuert werde oder nicht.“ Aber Reed war es auch, der 2016 sein Land durch spektakuläre Runden zum immens wichtigen Ryder-Cup-Sieg gegen Europa führte, dem ersten nach drei saftigen Pleiten.

Reed hatte in Augusta 2018 nach drei der vier Runden deutlich geführt. Am Sonntag holten die euphorisch gefeierten US-Amerikaner Jordan Spieth und Rickie Fowler auf, Spieth zog an Bahn 16 gar gleich, neun Schläge Rückstand waren egalisiert. Das hatte es in den 81 Masters-Turnieren zuvor (seit 1934) nicht gegeben.

Aber Bad Guy Reed konnte unter mäßig enthusiastischem Applaus ein letztes Mal kontern und sich ins Jackett retten: 15 unter Par, ein Topergebnis, Reeds erster Major-Titel. „Das war wirklich hart“, sagte er nachher ungewohnt leise, „aber ich war vorbereitet, dass die Führung auch noch mal schwanken kann und ich solche Situationen überstehe.“

Rickie Fowler wurde zum 13. Mal Zweiter bei einem großen Turnier (davon drei Majors). Und Patrick Reed darf sich freuen über eine Rekordgage von 1,98 Millionen US-Dollar freuen – und die größte Ausbeute an grünen Stoff. Behalten darf er das Sakko nur für ein Jahr. Zu den Masters 2019 muss er es für die lange Ahnenreihe im Museum des Augusta Golfclubs abgeben. Immerhin, Reed bleiben, wie allen anderen auch, die lebenslangen „visitation rights“ am Siegerstoff, also die Besuchsrechte.

Bernd Müllender