„Stoppt den Terror der Jung-Roten“

Studierende stürmen Sitzungen und demonstrieren, der Springer-Verlag hetzt dagegen an und auf Rudi Dutschke wird geschossen. In Berlin ist 1968 verdammt viel los – eine Chronik

31. Januar: Etwa 500 Studierende stürmen an der Freien Universität (FU) die Sitzung der Philosophischen Fakultät, um ihre Öffentlichkeit zu fordern. Das Vorgehen der Studierenden wird am Tag dar­auf vom Rektor der FU, Ewald Harndt, als „brutaler Terror“ bezeichnet.

7. Februar: Die Bild-Zeitung, herausgegeben vom Springer-Verlag, schreibt: „Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!“ Auch der Westberliner Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) lässt ein Verbot des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) prüfen.

17./18. Februar: An der Technischen Universität lädt der SDS zum internationalen Vietnamkongress. Über 5.000 Teilnehmende kritisieren die zunehmenden Kriegshandlungen der USA in ­Vietnam. An der anschließenden Demonstration nehmen rund 12.000 Menschen teil.

21. Februar: Der Berliner Senat lädt zu einer Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus ein. Die Demonstration mit 80.000 bis 100.000 Teilnehmenden richtet sich gegen die linke Studentenbewegung. Die Bild ruft alle BerlinerInnen zur Teilnahme auf.

5. April: In den USA wird der Bürgerrechtler Martin Luther King ermordet. Auch in Berlin wird für Karfreitag eine Solidaritätsdemonstration geplant.

11. April: Einen Tag vor der „Black Power“-Demo kommt es zum Attentat auf Rudi Dutschke. Der 23-jährige Josef Bachmann wartet in der Nähe des SDS-Büros am Kurfürstendamm auf den Wortführer der Studentenbewegung und schießt ihm in Kopf und Schulter. Bei sich trägt Bachmann die Deutsche National-Zeitung mit dem Titel „Stoppt den roten Rudi jetzt!“ Dutschke überlebt schwer verletzt, stirbt elf Jahre später jedoch an Spätfolgen. Bachmann begeht 1970 im Gefängnis Selbstmord.

12. April: Nach dem Anschlag auf Dutschke kommt es zu den sogenannten Osterunruhen. Die Massenproteste richten sich besonders gegen den Springer-Verlag, dem Hetze gegen Dutschke und somit Mitschuld am Attentat vorgeworfen werden. Es kommt zu schweren Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei.

15. Mai: Der Wortführer der französischen Studentenbewegung, Daniel Cohn-Bendit, spricht in der FU über die Aufstände in Frankreich und die Besetzung der traditionellen Pariser Sorbonne-Universität durch französische Studierende.

30. Mai: Die Große Koalition erlässt die Notstandsgesetze, die im Fall von Katastrophen, aber auch inneren Spannungen greifen. Die linke Außerparlamentarischen Opposition (APO) organisiert in mehreren Städten der BRD, darunter Westberlin, Proteste.

Sommer: Studentinnen der Freien Universität sowie der Deutschen Film- und Fernsehakademie gründen den „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ und legen damit einen Grundstein für die Frauenbewegung in der BRD.

4. November: Im Landgericht am Tegeler Weg beginnt ein Prozess gegen den Aktivisten der APO und späteren Rechtsextremisten Horst Mahler. Dabei kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den 1.000 Demonstrierenden und der Polizei.

31. Dezember: Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer hat sich 1968 im Vergleich zum Vorjahr von knapp 6.000 auf rund 12.000 verdoppelt.

Zusammenstellung: Daniel Stoecker