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: Russland, Iran und die Türkei teilen Syrien unter sich auf

Bei einem Gipfel in Ankara demonstrieren Putin, Erdoğan und Ruhani Einigkeit. Eines ihrer Ziele ist ein baldiges Ende der Kämpfe. Eine Unbekannte bleibt der Abzug der US-Truppen

Das Neue

Trotz nach wie vor widerstreitender Interessen haben die Präsidenten von Russland, der Türkei und des Iran nach einem Gipfeltreffen in Ankara bekräftigt, dass sie ihre Zusammenarbeit in Syrien vertiefen wollen. Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Recep Tayyip Erdoğan zeigten sich befriedigt, dass der 2017 eingeleitete „Astana-Prozess“ funktioniert und fortgesetzt werden soll. Als gemeinsame Ziele in Syrien nannten sie ein baldiges Ende der Kämpfe, den Erhalt der territorialen Integrität des Landes und eine neue Verfassung für Syrien, die im Rahmen des UNO-Prozesses in Genf erarbeitet werden soll. Inoffiziell haben die drei untereinander bekräftigt, dass sie Syrien als Beute betrachten, deren Aufteilung nun ausgehandelt werden muss.

Der Kontext

Die Zukunft Syriens wird offiziell nach wie vor im Rahmen eines von der UN veranstalteten Friedensprozesses ausgehandelt, bei dem auch die USA und die EU sowie die von den USA unterstützten Kurden und die Rebellengruppen, die lange von Saudi-Arabien unterstützt wurden, mit am Tisch sitzen. Tatsächlich kommt dieser UN-Prozess seit Jahren nicht von der Stelle. Das Assad-Regime beteiligt sich nur pro forma und sucht stattdessen die Entscheidung mit Unterstützung von Russland und dem Iran auf dem Schlachtfeld. Nachdem fast alle größeren Städte wieder unter der Kontrolle der Regierungstruppen sind, scheint es jetzt möglich, dass diejenigen Länder, die wie Russland, Türkei und Iran selbst Truppen in Syrien stationiert haben, darangehen können, ihre Einflusszonen untereinander auszuhandeln. Eine Unbekannte blieb dabei zuletzt die Position der USA: Zuerst hatte Präsident Donald Trump den kompletten Abzug seiner Truppen in Aussicht gestellt – dann ruderte das Weiße Haus am Mittwochabend zurück: Geplant sei ein „rasches Ende“ des Syrieneinsatzes, aber nicht sofort.

Die Reaktionen

Die Bundesregierung ist skeptisch, ob es Russland, Iran und der Türkei gelingt, einen Waffenstillstand in Syrien durchzusetzen. Die zuvor vereinbarten Deeskalationszonen hätten nicht zu einer Verminderung der Kämpfe geführt, sagte der neue Staatssekretär im Außenministerium, Niels Annen. Das Ganze sei ein Kriegsgipfel. Er versprach, die Bemühungen Deutschlands auf UNO-Ebene zu verstärken.

Die Konsequenz

Wie die Konsequenzen für Syrien aussehen werden, ist unklar, solange in den USA noch keine Entscheidung über einen Abzug gefallen ist. Ziehen die US-Truppen in den kommenden Monaten ab, bleiben die Kurden gegen Erdoğans Truppen auf sich allein gestellt. Allerdings hat auch Putin erklärt, dass die Kurden an einer politischen Lösung beteiligt werden müssten. Obwohl er Erdoğan nicht öffentlich widersprach, als dieser die Fortsetzung des Kampfes gegen die „Terroristen“ der YPG ankündigte, kann man davon ausgehen, dass hinter den Kulissen längst darüber geredet wird, wie weit Erdoğan in Syrien noch weitermarschieren darf. Jürgen Gottschlich

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