die dritte meinung
: Indien wird als politischer Partner von Deutschland unterschätzt, kritisiert Britta Petersen

Britta Petersen

ist Senior Fellow bei der indischen Denkfabrik Observer Research Foundation (ORF) in Neu-Delhi.

Die gute Nachricht zuerst: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war in Indien und er hat sich für den Besuch viel Zeit genommen. Er verbrachte einen ganzen Tag in der heiligen Stadt Varanasi, besuchte in Chennai eine Elite-Universität, sprach an der Delhi University und traf sich mit Premierminister Narendra Modi, Außenministerin Sush­ma Swaraj und Präsident Ram Nath Kovind. Das ist gut, denn Indien wird global immer wichtiger. Es ist nicht nur die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt, sondern auch eine funktionierende Demokratie und ein Land, das sich für internationaler Normen starkmacht. In Zeiten, in denen immer mehr Autokraten meinen, ohne internationale Regeln auskommen zu können, sollte Indien ein wichtiger Partner sein.

Leider begann der Besuch mit Verstimmungen, weshalb Steinmeier nicht von Premierminister Modi am Flughafen empfangen wurde, sondern nur vom Staatsminister für Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen. Modi fühlte sich bei seinen Deutschland-Besuchen in letzter Zeit nicht gewürdigt. Indische Diplomaten hatten den Eindruck, Deutschland investiere nicht genug in das bilaterale Verhältnis. Diese Irritationen wurden im Laufe des Besuchs offenbar behoben. Modi erschien überraschend und noch vor dem eigentlichen Gesprächstermin zum Empfang im Präsidentenpalast. Für Deutschland enthält dies eine wichtige Botschaft: Die Welt dreht sich inzwischen oft schneller, als in Berlin wahrgenommen. Indien ist kein x-beliebiges Entwicklungsland mehr, sondern eine ambitionierte Regionalmacht, die auf der Weltbühne eine Rolle spielen will.

Wie man diesem neuen Selbstbewusstsein Respekt erweist, hat kürzlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gezeigt: mit großen Gesten und Reden. Sicher, der Bundespräsident hat eine andere Funktion und Deutschland tut sich schwer mit Pomp und Machtprojektionen. Doch es kostet nichts, dieses Land etwas zu hofieren. Mit Indien muss man einen Dialog unter Freunden führen, der keinen belehrenden Unterton enthält.