taz🐾thema
: geburt

die verlagsseite der taz

Kreißsäle sollen erweitert werden

Mit einem Zehn-Punkte-Aktionsplan soll die Situation der notleidenen Geburtshilfe in Berlin verbessert werden. Doch die damit verbundene Fokussierung auf klinische Geburten stößt auch auf Kritik

Aufgrund des Wachstums der Stadt erlebt Berlin einen Babyboom. Doch die vorhandene Infrastruktur reicht dafür nicht aus. Immer wieder werden Gebärende wegen überbelegter Kreißsäle abgewiesen, während sich Hebammen derweil oft um mehrere Schwangere gleichzeitig kümmern müssen. Die Folge: 8 von 19 Kliniken begrenzen heute schon die Zahl der Anmeldungen, 4 weitere planen dies. Nach einem zweiten runden Tisch zur Geburtshilfe hat Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) nun Anfang Februar einen Zehn-Punkte-Ak­tions­plan vorgelegt. So sollen unter anderem die Ausbildungskapazitäten für Hebammen um 130 Plätze erweitert und vom Land Berlin 20 Millionen Euro in den Ausbau von Kreißsälen investiert werden.

Allerdings stößt die damit verbundene Ausrichtung der Geburtshilfe auf klinische Geburten auch auf Kritik. So haben unlängst einige in der Internationalen Studiengesellschaft für prä- und postnatale Psychologie und Medizin (ISPPM e. V.) organisierte Hebammen, Gynäkologen und Pränatalpsychologen wegen der „psychologischen Notsituation in der Geburtshilfe“ einen Appell veröffentlicht. Demnach ist in Deutschland generell eine „einseitige Fokussierung auf die medizinisch-technische Überwachung und Beherrschbarkeit des Geschehens von Schwangerschaft und Geburt“ zu beobachten, weshalb es kaum noch Geburten ohne medizinische Eingriffe gebe. Die Autor*innen fordern dagegen eine „Individualisierung statt Programmierung von Geburten“. Denn die Geburtshilfe könnte laut der Autor*innen „bei 85 Prozent der Frauen ohne oder mit wenigen Interventionen auskommen“.

Christine Bruhn, die Geschäftsführerin des Geburtshauses Charlottenburg, sieht das ganz ähnlich: Der Wunsch nach berechenbaren Geburten führe ebenso wie das pauschalierte Abrechnungsverfahren in den Kliniken zum Beispiel zu vielen überflüssigen Eingriffen und vermeidbaren Kaiserschnitten. Dabei sei eine Geburt ein natürlicher und individueller Prozess, der neben der Aufklärung der Schwangeren vor allem eine aufwendige 1:1-Betreuung durch eine Hebamme benötige. Das allerdings kann unter den gegebenen Bedingungen nur in der außerklinischen Geburtshilfe garantiert werden. OS