Gelassenes Schnurren vom Chef

Trainer Peter Stöger kann wie kaum ein zweiter mit Unklarheiten umgehen. Das hilft ihm und seinem Verein Borussia Dortmund auch im heiß diskutierten Fall des abwanderungswilligen Pierre-Emerick Aubameyang

Passt schon: Stöger (r.) zeigt Mahmoud Dahoud nach dem Spiel gegen Wolfsburg seine Zufriedenheit Foto: reuters

Aus Dortmund Daniel Theweleit

Stögers große Gelassenheit ist im Aufregungsgeschäft Bundesliga in der Tat bemerkenswert. Das zeigt nicht zuletzt sein Umgang mit der schwierigen Personalie Pierre-Emerick Aubameyang. Der Stürmer würde mal wieder gerne zu einem anderen Klub wechseln, am liebsten nach England in die Premier League. Er hat Teamsitzungen geschwänzt, wurde für die erste Rückrundenpartie gegen Wolfsburg suspendiert, seit Tagen herrscht eine Art mediale Hysterie um den Star aus Gabun.

Man müsse jetzt hart durchgreifen, finden manche Beobachter. Die Zeit der Nachsichtigkeit müsse nach immer neuen Eskapaden nun endlich zu Ende gehen, und es gäbe gewiss viele Trainer, die sich in dieser aufgeheizten Atmosphäre zu harten Maßnahmen genötigt sähen, um auf diese Weise ihre Autorität zu untermauern. Stöger aber sagt in seinem gelassen schnurrenden Wienerisch, er halte überhaupt nichts von Geldstrafen und Aubameyang habe „jederzeit die Möglichkeit, sich wieder so aufzustellen, dass er Teil der Mannschaft ist“.

Das ist klug, denn bislang ist kein Klub in Sicht, der die angeblich vom BVB geforderten 70 Millionen Euro bezahlt. Ein Wechsel nach China ist äußerst unwahrscheinlich, weil die Abwicklung eines solchen Geschäfts kompliziert ist und weil Aubameyang wohl eher nicht in der asiatischen Versenkung verschwinden möchte. Realistischer ist ein Umzug nach England, der FC Arsenal ist interessiert, aber wird Trainer Arsène Wenger wirklich so viel Geld für einen Spieler bezahlen, der mit 28 Jahren nicht mehr ganz jung und dessen Spielweise überdies höchst eindimensional ist?

Aubameyang ist zwar ein begnadeter Konter- und Strafraumstürmer, aber weder ein guter Passspieler noch ein brillanter Dribbler, und er trifft nie aus größeren Distanzen. Ein Verbleib in Dortmund ist daher eine sehr realistische Option, und man kann sich kaum einen Trainer vorstellen, der diese komplexe Situation besser moderieren kann als Stöger.

Er sei „nicht nachtragend“ und man müsse „Charaktere zulassen“, sagt der ehemalige Kölner, ein Einsatz Aubameyangs in Berlin am Freitagabend ist wahrscheinlich. Stöger hat die seltene Fähigkeit, die im medialen Spitzenfußball grassierende Dauererregung auf eine nüchtern-trockende Betrachtung der Vorgänge herunterzubrechen. Auf den fanatischen Fußballstandort Köln wirkte diese Art wie ein perfekt passendes Psychopharmaka auf einen Manisch-Depressiven. Außerdem ist Stöger ganz und gar uneitel, was sich auch im Umgang mit seiner unklaren Zukunft zeigt.

Sein Vertrag beim BVB endet im Sommer, und natürlich weiß er, dass seine Zeit in Dortmund dann mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ende geht. Julian Nagelsmann soll kommen, ist wohl auch bereit für diesen Schritt, nur die Freigabe aus Hoffenheim müssen die Dortmunder noch erkaufen. Dem Vernehmen nach haben Watzke und Zorc Stöger diese Überlegungen sehr offen erklärt, als sie ihn im Dezember zum BVB holten. Andere Trainer hätten solche Planungen umgehend als Vertrauensbruch empfunden, als Zweifel an ihrer Fähigkeit. Stöger sagt: „Ich habe damit gar kein Problem, es ist eine ganz klare Geschichte, das mag ich. Sind wir erfolgreich, werden sich andere Türen öffnen. Bin ich nicht erfolgreich, wovon ich nicht ausgehe, war ich immerhin in Dortmund. Ich sehe das emotionslos und nüchtern.“

Pragmatismus und solide Facharbeit statt Dogmatismus und einem fanatischen Drang nach Perfektion – in gewisser Weise hat Stöger den BVB erlöst. Dass es trotzdem noch so wild und ungeordnet zugeht in diesem Klub, zeigt aber auch, wie viel in den vergangenen Monaten schiefgelaufen ist.