Verdacht ist nicht Verurteilung

Die Zahlen zur Flüchtlingskriminalität sind tückisch. Eine Lesehilfe

Von Jörg Wimalasena

Was misst die Polizeiliche Kriminalstatistik genau?

Christian Pfeiffers Gutachten bezieht sich auf die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die jährlich vom Bundeskriminalamt und den entsprechenden Behörden in den Ländern veröffentlicht werden. Diese messen jedoch nur die Anzahl der erhobenen Strafanzeigen, nicht etwa rechtskräftige Verurteilungen. Eine Zunahme der Gewaltkriminalität durch Flüchtlinge ist anhand der PKS nicht zwingend nachzuweisen, wohl aber, dass sehr viele Straftaten angezeigt wurden, bei denen Flüchtlinge verdächtigt wurden.

Was ist daran problematisch?

Die Autoren der Studie geben an, dass Gewaltdelikte von Flüchtlingen mindestens doppelt so oft angezeigt würden wie bei deutschen Verdächtigen. Dadurch erreichten Straftaten von Migranten „eine entsprechend erhöhte Sichtbarkeit“. Das verdiene Beachtung, weil die aus den schlichten Beschuldigtenzahlen entstehenden Fehleinschätzungen dazu missbraucht werden könnten, Ängste vor Flüchtlingen sowie eine allgemeine Ausländerfeindlichkeit zu schüren. „Medien und Politik sollten deshalb stets auf diesen Verzerrungsfaktor hinweisen“, empfiehlt die Studie.

Wie kommen die Verzerrungen zustande?

Eine Schülerbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergab 2015, dass Opfer häufig solche Täter anzeigen, die sie nicht persönlich kennen, weil Fremde eher als Bedrohung empfunden würden. Im persönlichen Umfeld hingegen zögerten Opfer mit einer Anzeige, unter anderem deshalb, weil sie Angst davor hätten, vom Täter unter Druck gesetzt zu werden. Aufgrund der Sprachbarriere könnten sich geflüchtete Täter und deutsche Opfer auch oft nicht verständigen. In der aktuellen Studie heißt es dazu: „Das reduziert die Chancen beträchtlich, dass es nach der Tat zu einer Verständigung darüber kommt, den Vorgang auf irgendeine Weise intern zu regeln.“

Wie aussagekräftig sind die PKS-Kriterien?

Die Erfassung der Herkunft von Tatverdächtigen zeigt, dass Strafverfolgungsbehörden dieses Merkmal für relevant halten und eine gewisse Andersartigkeit nichtdeutscher Straftäter zumindest vermuten. Sozioökonomische Aspekte werden jedoch nicht erhoben. Eine Differenzierung von Tatverdächtigen aufgrund von Bildung, Einkommen und Arbeitssituation findet nicht statt. Flüchtlinge leiden im Gegensatz zu Deutschen aber häufiger unter Armut sowie Arbeitslosigkeit und leben vermehrt in prekären Milieus. Studien deuten darauf hin, dass soziale Randständigkeit Gewaltkriminalität befördert.