Taktisch nachgereift

Werder Bremen startet mit einer überzeugenden Leistung gegen Hoffenheim in die Bundesliga-Rückrunde

Von Ralf Lorenzen

Ballferne Halbräume, Verlagerung über die Außenverteidiger: Pressekonferenzen mit Vertretern der jungen Trainergeneration wie Werders Florian Kohfeldt und Hoffenheims Julian Nagelsmann werden immer mehr zu Taktik-Seminaren. Und außer den Taktik-Nerds, die sich große Sportredaktionen mittlerweile auch leisten, müssten die meisten Journalisten wohl tatsächlich zur Nachschulung, um zu verstehen, was den Spielern im Training eingebläut wird.

Die Spieler des SV Werder Bremen haben im spanischen Winter-Trainingslager offenbar die „Optionen“ und „Lösungen“ kapiert, die ihnen ihr Trainer an die Hand gab, um möglichst schnell die Abstiegszone der 1. Fußball-Bundesliga zu verlassen. Zu einem befreienden Drei-Punkte-Erlebnis wurde zwar auch das Spiel gegen die TSG Hoffenheim nicht, aber mit dem verdienten 1:1 holten sie immerhin einen Punkt mehr als die direkten Konkurrenten HSV und Mainz 05, die ihre Auswärtsspiele verloren.

Wichtiger als der tabellarische Effekt des Ergebnisses war die Art und Weise, wie es zustande kam. Werder ist als aktives, kompaktes und kombina­tionsfreudiges Team aus der Winterpause gekommen, das mit einem Champions-League-Kandidaten auf Augenhöhe agieren kann. An der Leistung der ersten Halbzeit monierte der temperamentvoll am Spielfeldrand coachende Kohfeldt zwar noch, sein Team sei „bei Ballbesitz zu hektisch“ gewesen und habe „nicht gut verlagert und die Angriffe nicht gut genug vorbereitet“. Mit der zweiten Halbzeit, in der Theodor Gebre Selassie die Führung durch Benjamin Hübner egalisierte, war er aber weitgehend zufrieden. „Da hat das gut funktioniert und wir haben das Spiel phasenweise dominiert“, so Kohfeldt. Auch in der Schlussphase wollte Werder noch den Sieg statt ängstlich den Punkt zu verteidigen.

Werder ist seit Amtsantritt von Kohfeldt spielerisch nachgereift – und offenbar gar nicht so von seinem Sturmduo Max Kruse und Fin Bartels abhängig wie befürchtet. Obwohl keiner von ihnen eine Fin-Bartels-Kopie ist, können Florian Kainz, Ishak Belfodil und Aron Johannsen den langfristigen Ausfall des Stürmers flexibel kompensieren. Hinter ihnen betätigen sich Kruse und Kapitän Zlatko Junuzovic als Freigeister, die selbst Taktik-Fuchs Nagelsmann Rätsel aufgaben.

Auch wenn am kommenden Samstag mit dem Auswärtsspiel beim FC Bayern München der vorübergehende Rückfall auf einen direkten Abstiegsplatz droht – die Werder-Mannschaft hat ein Niveau erreicht, das die Hoffnung nährt, den Frühling in anderen Tabellenregionen verbringen zu können.