Kommentar Nord- und Südkorea: Kim Jong Bluff

Die beiden koreanischen Delegationen winken ihr Annäherungsprogramm im Akkord durch. Wie aufrichtig es ist, muss Kim Jong Un noch beweisen.

Kim Jong Un freut sich über einen Raketentest

Lässt Nordkoreas Diktator die militärische Provokation sein – oder ist es sein übliches taktisches Spiel? Foto: ap

Geradezu im Akkord haben die beiden koreanischen Delegationen am Dienstag ihr Annäherungsprogramm durchgewinkt – von der Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen in Südkorea bis hin zur Eröffnung der gemeinsamen Militärhotline.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis US-Präsident Donald Trump diese Erfolge für sich reklamiert. Ohne den Druck aus Washington, so wird er prahlen, hätte man Kim Jong Un keinesfalls aus der Reserve locken können. Nordkoreas Diktator mag zwar den Eindruck erwecken, unter Zugzwang zu stehen und aufgrund der rigiden Sanktionen endlich wieder diplomatischen Boden gutmachen zu müssen.

Tatsächlich jedoch waren ganz andere Gründe ausschlaggebend: Erst ein politisches Zugeständnis an Nordkorea, nämlich die Verschiebung der Militärübungen von Seoul und Washington, habe zu Pjöngjangs Rückkehr an den Verhandlungstisch geführt.

Schon ein kurzer Blick ins Archiv zeigt, dass Nordkorea letztlich vor allem sein übliches taktisches Spielchen spielt: Seit Jahren provoziert das Regime scheinbar suizidal – nur um angeblich aus dem Nichts wieder der Diplomatie die Hand entgegenzustrecken.

Nordkorea hätte ohnehin in letzter Minute versucht, sich möglichst medienwirksam seinen Startplatz bei der Olympiade zu sichern. Allein dass das Land nun mehrere Delegationen Richtung Süden schickt, darunter Politiker, Journalisten und die berühmt-berüchtigte Anfeuerungstruppe, belegt, dass die Vorbereitungen bereits seit Monaten laufen. Schließlich bietet das internationale Sportereignis eine rar gesäte Möglichkeit für ein isoliertes und geschmähtes Land, einmal für positive Schlagzeilen sorgen zu können – und zwar ganz ohne sich mit Zugeständnissen herumschlagen zu müssen.

Kim Jong Uns mittelfristiges Ziel ist es, dass die Weltgemeinschaft – zunächst widerwillig, aber letztlich doch – sein Land als Atommacht dulden wird. Ziehen noch ein paar weitere Jahre ins Land, so das Kalkül des nordkoreanischen Staatschefs, dann wird die Umsetzung der Sanktionen schon bald gelockert werden. Dafür muss sich das Regime nun als staatsmännisch und verantwortungsvoll präsentieren. Heute hat es den ersten Schritt dahin getan – doch wie aufrichtig die Annäherung ist, muss es erst noch beweisen. Zu oft hat sich Kims taktisches Spiel als Bluff herausgestellt.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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