Unfallgefahr bei Vierschanzentouree: Bedenken in den Wind geschlagen

Skispringer Richard Freitag beendet nach seinem Sturz die Tournee. Bundestrainer Schuster hadert mit der Weitensucht der Jury.

Ein Skispringer liegt auf dem Rücken im Schnee

Ist der Anlauf zu lang, wird es schnell zum Skiliegen – Richard Freitag nach seinem Sturz Foto: dpa

BISCHOFSHOFEN taz | Am Morgen danach war dann die Entscheidung gefallen. Richard Freitag steigt aus der Vierschanzentournee aus. Zu heftig waren die Schmerzen vor allem in der linken Hüfte, die er sich bei seinem Sturz beim Springen in Innsbruck zugezogen hatte.

„Aktuell macht Skispringen keinen Sinn für mich“, sagte Freitag, „aufgrund der Prellungen kann ich weder in die Anfahrtshocke gehen noch dynamisch einen Sprung auslösen.“ Statt nach Bischofshofen ist er zurück nach Oberstdorf gefahren. Mit viel Physiotherapie soll Freitag so schnell wieder einsatzfähig werden. Immerhin stehen in zwei Wochen die Skiflug-Weltmeisterschaften im Allgäu auf dem Programm.

Auch am Tag danach hatte sich Bundestrainer Werner Schuster noch nicht richtig beruhigt. Als Pulstreiber diente ihm der Technische Delegierte Geir Steinar Loeng. Der Norweger war am Abend davor von Innsbruck-Chef Alfons Schranz bei einem Empfang noch gelobt worden: „Geir wird für weite Sprünge sorgen.“

Als Richard Freitag auf den Balken rutschte, wechselte gerade die Windrichtung. Statt von hinten blies die Luft von vorne. Aber noch im zuvor festgelegten Korridor. Freitag, Zweiter in der Tournee-Wertung, musste noch einmal runter vom Balken. Für Schuster ein klares Signal. „Das ist für mich ein Schuldeingeständnis der Jury, dass sie gemerkt haben: ,Uiuiui, es könnte weit gehen'“, sagte der Bundestrainer. Er habe gebeten, dass der Anlauf verkürzt werde. Worauf es einen kurzen Funkverkehr zwischen den Jury-Mitgliedern gab. Doch nichts geschah.

Sorge um Punktverlust

Das Reglement sieht zwar die Möglichkeit vor, dass auch die Trainer den Anlauf verkürzen können, doch die fühlen sich vom Skiverband Fis dabei unter Druck gesetzt. Denn die Zusatzpunkte für das Weniger an Anlauf erhält der Springer nur, wenn er mindestens 95 Prozent der Hillsize-Weite erreicht. In Innsbruck sind dies 123,5 Meter. „Wenn ich den Anlauf verkürze und oben klemmt der Balken, dann dauert das etwas“, beschreibt der Trainer die Zwänge. Wenn dann Richard Freitag mit schlechtem Wind nur 121 Meter gesprungen wäre, wären die 4,3 Punkte, die es pro Luke an Zusatzpunkten gibt, verloren gewesen. Schuster fürchtete in diesem Fall die Frage, die ihm gestellt worden wäre: „Was sind Sie denn für eine Trantüte, Sie haben ja gar keine Ahnung.“

Der Bundestrainer sagt: „Man muss sich auch ein wenig auf die Jury verlassen können.“ Gerade das deutsche Team konnte dies jetzt innerhalb weniger Tage nicht bei Geir Steinar Loeng. Der Norweger war auch der verantwortliche Schiedsrichter vor Weihnachten beim Springen der Frauen in Hinterzarten. Damals stürzte Mixed-Weltmeisterin Svenja Würth und riss sich das Kreuzband.

„Die Schanze eignet sich nicht für offensive Wettkampfführung“

Natürlich waren die Verhältnisse auf der Olympiaschanze am Bergisel besondere. Nach zwei Tagen heftigen Regen war der Schnee mächtig durchweicht. Zudem wurden die Reisigzweige, die den Springern als Orientierung für die Landung dienen sollen, weggeschwemmt. Und zu guter Letzt spielt eine Eigenheit der Innsbrucker Schanze hinein. Sie verfügt nicht über einen ebenen Auslauf, sondern über einen Gegenhang. Dadurch wird der Druck auf die Springer bei der Landung noch größer. Schuster sagt: „Diese Schanze eignet sich nicht für diese offensive Wettkampfführung.“

Übermut und eine Verkettung unglücklicher Umstände haben der Tournee zum Finale in Bischofshofen ein packendes Duell zwischen Richard Freitag und Kamil Stoch genommen. Es bleibt als einzige Spannung die Frage: Gewinnt der Pole wie Sven Hannawald vor 16 Jahren als zweiter Springer alle vier Springen?

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