Ulrike Herrmann über Altersarmut in Deutschland
: Die Opfer des Exportüberschusses

Die deutschen Wähler wissen genau, was sie bedrückt: In allen Umfragen landet das Thema Altersarmut weit vorn. Doch die Resonanz in der Politik bleibt dürftig. Die Union kann sich eine „Kommission“ vorstellen, die sich mit der Rente ab 2030 befasst.

Die SPD will in den Koalitionsverhandlungen zwar eine „Solidarrente“ durchsetzen, was aber nur gut klingt. Konkret würden arme Rentner dann nicht mehr 409 Euro pro Monat erhalten, sondern 450 Euro. Arm wären diese Senioren noch immer.

Deutschland lebt mit einem eigenartigen Widerspruch: Es ist eines der reichsten Länder der Welt, aber das hiesige Rentenniveau liegt deutlich unter dem Schnitt vieler Industrieländer. Die „demografische Katastrophe“ kann also nicht schuld sein, die auch andere Länder erleben.

Zwei Kernprobleme lassen sich ausmachen. Erstens: Deutschland hat noch immer ein ständisches Sozialsystem. Statt alle Bürger gleich zu versichern, wird nach Statusgruppen unterschieden. Selbstständige, Beamte und Angestellte zahlen nicht in eine Kasse ein, wie es in fast allen anderen Ländern üblich ist. Stattdessen gibt es so seltsame Auswüchse wie das Beamtenrecht, das eine kleine Gruppe extrem privilegiert. 2.700 Euro kassiert ein Pensionär im Durchschnitt, während es bei den Rentnern rund 1.000 Euro sind.

Bevor der Ruf der „Neiddebatte“ erschallt: Auch Beamten muss klar sein, dass ihre Pensionen auf Dauer nur sicher sind, wenn sie nicht als sozialpolitischer Skandal empfunden werden. Gerade Beamte müssten daher dafür streiten, dass die Renten steigen.

Zweitens: Die gesetzlichen Renten werden von den Angestellten finanziert, weswegen die Altersbezüge nur so stark steigen können, wie auch die Löhne zulegen. Es rächt sich daher, dass Deutschland unbedingt Exportüberschüsse erzielen will, indem es Lohndumping betreibt.

Da die Exportüberschüsse aber heilig sind, wird die Altersarmut bleiben – auch als Angstthema der Wähler.

inland