Kommando­zentrale in Seenot

1998 brannte ein Frachter vor Amrum aus und verursachte eine Ölpest. Um solche Unfälle zu verhindern, wurde das Havariekommando gegründet

Von Karolina Meyer-Schilf

Am Ende waren es 16.000 verendete Seevögel, mehrere Dutzend tote Seehunde, ein ölverseuchtes Wattenmeer und ein Holzfrachter, der nach einem Monat immer noch brannte: Die Havarie der „Pallas“ im Oktober 1998 gilt als Stunde null des Katastrophenschutzes an Nord- und Ostsee.

Obwohl der italienische Holzfrachter, dessen Ladung in Brand geraten war, vier Tage im Sturm auf die deutsche Küste zutrieb, scheiterten alle Bergungsversuche. Schlepptrossen brachen, Löschversuche von vier deutschen Schiffen, die immerhin einen Tag nach Ausbruch des Feuers beim Havaristen eintrafen, halfen nicht. Als die „Pallas“ schließlich in flaches Wasser trieb, konnten auch die Löschschiffe nicht mehr folgen. Die „Pallas“ strandete vor Amrum, verursachte erst eine Ölpest, danach einen Untersuchungsausschuss im schleswig-holsteinischen Landtag und führte schließlich, fünf Jahre später, zu einem Staatsvertrag zwischen Bund und Küstenländern zur Gründung des Havariekommandos mit Sitz in Cuxhaven.

Die Notwendigkeit einer übergeordneten Katastrophenschutzbehörde für besondere Schadenslagen auf See war eine der Konsequenzen aus der „Pallas“-Havarie. Zu unklar waren die Zuständigkeiten zuvor geregelt, zu zögerlich verlief deshalb die Rettungsaktion, so lange, bis nichts mehr zu retten war.

Seit 2003 nun ist das Maritime Lagezentrum in Cuxhaven rund um die Uhr mit Nautikern besetzt und steht im Austausch mit den Verkehrszentralen, die die Lage in den deutschen Hoheitsgewässern im Blick haben. Im Notfall nimmt das Havariekommando die Zügel in die Hand: Es hat umfassende Befugnisse, um in sogenannten „komplexen Schadenslagen“ sofort eingreifen zu können. Binnen zwei Stunden, so das Ziel, sollen Schiffe im Schadensfall beim Havaristen sein. Das Havariekommando verfügt dafür über Mehrzweckschiffe zur Schadstoff- und Brandbekämpfung, über Schlepper zur Bergung und hat auch die Direktive über alle anderen Einheiten. So weit die Theorie.

18 Jahre nach der „Pallas“-Havarie treibt im November 2017 wieder ein Frachter auf die deutsche Küste zu. Er brennt nicht, ist aber wegen eines Ruderschadens manövrierunfähig, und er hat 1.800 Tonnen Treibstoff geladen. Wieder ist Sturm, und wieder scheitern alle Schleppversuche, weil die Trossen brechen. Der Frachter, die „Glory Amsterdam“, strandet schließlich vor Langeoog. Bergungsschiffe pumpen das Ballastwasser aus den Tanks, ein Ölüberwachungsflugzeug kontrolliert, ob Treibstoff austritt. Der Frachter hält. Nach wenigen Tagen gelingt es einer holländischen Spezialfirma, den Frachter von der Sandbank zu ziehen und nach Wilhelmshaven zu schleppen.

Obwohl diesmal alles gut geht, wird Kritik am Havariekommando laut: Es könne nicht sein, sagte der Bürgermeister der betroffenen Insel Langeoog, Uwe Garrels, dass ein großes Seeschiff stundenlang auf die Insel zutreiben könne und niemand in der Lage sei, das Schiff zu bergen. Beim Havariekommando selbst empfindet man diese Kritik als „unsachlich“: Der Bürgermeister habe die Lage brisanter dargestellt, als sie in Wirklichkeit gewesen sei, sagt eine Sprecherin zur taz. Das Schiff sei engmaschig auf austretendes Öl kontrolliert worden, die Bergung sei sogar schneller als ursprünglich geplant abgeschlossen gewesen.

Warum allerdings mehrfach die Schlepptrossen gebrochen sind, noch während der Frachter auf die Insel zutrieb – darauf gibt es noch keine Antwort. „Wir warten selber auf die Ergebnisse“, sagt die Sprecherin des Havariekommandos. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, ebenfalls im Nachgang der „Pallas“-Havarie gegründet, untersucht den Vorfall. Bis der Bericht vorliegt, kann ein Jahr vergehen.