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: Im Kinderreich von Hannover

Tanne Tarnat nimmt ein Bällebad, während die DFL ungewöhnlich rumzögert, was die 50+1-Regel betrifft

Michael „Tanne“ Tarnat fiel als Spieler vor allem wegen seines harten, linken Spannstoßes auf. Wenn er für einen seiner Klubs (Duisburg, KSC, Bayern, ManCity, Hannover) mal wieder einen raushaute, zerriss es beinahe das Tornetz. Jedenfalls: Wegen Tanne hätte nie eine Torkamera installiert werden müssen; wenn er wummste, wackelte das Stadion. Vor wenigen Monaten hat Tanne, inzwischen Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Hannover 96, wieder einen rausgehauen. „Es macht mich traurig, dass das Lebenswerk von Martin Kind nicht gewürdigt wird“, focht Tanne all jene an, die gegen Klubboss Kind opponierten.

Das war Anfang August, das Hannoveraner Stadion wackelte ohnehin schon, und neben dem Rund bebte auch der fußballaffine Teil der Stadt. 96 sollte verkauft werden! Zumindest der Profifußballzirkus an den Dompteur Kind. Vielen Anhängern war da klar geworden, dass all die Tschauners, Harniks oder Bakerlorze privatisiert werden sollten. Es rumpelte also wirklich kräftig in einer Stadt, deren Hauptbahnhof mindestens 96 Prozent aller Zugfahrer schon mal für einen ICE-Umstieg genutzt haben. Darunter auch die Macher der Deutschen Fußball-Liga (DFL), vielleicht sogar DFL-Geschäftsführer Christian Seifert.

Die DFL und Seifert sind es schließlich, die den Kind-Deal absegnen müssen. Später noch der DFB und Grindel, rein formell wenigstens. Die Verbände entscheiden, ob Hannover 96 und Martin Kind die 50+1-Regel ausdribbeln dürfen oder nicht. Lange Zeit schien dies reine Formsache. Man traf sich zu Vorgesprächen (vielleicht an jenem günstig gelegenen Hauptbahnhof), dann schickten 96 und Kind Ende August (vielleicht auch erst Anfang September) ein paar Unterlagen an die DFL. Im Dezember, so hieß es, sollten die Ligafunktionäre schließlich entscheiden. Wobei die Vermutung nahe lag, dass weniger entschieden als vielmehr durchgewinkt werden würde.

Am Freitag meldete aber Bild, dass die DFL den Kind-Antrag eher nicht mehr in diesem Jahr „entscheiden“ will. Eine Bestätigung dazu blieb aus, mehr als die allgemeine Sprachregelung („laufendes Verfahren“) ist nicht bekannt. Es dürfte inzwischen aber auch in Frankfurt brodeln. Denn eigentlich würde die DFL den Fall Kind gerne im Kind’schen Sinne abschließen. 2011 wurde ja ausgerechnet in Folge einer Kind-Klage beschlossen, dass die 50+1-Regel umgangen werden kann. Sofern nämlich ein Investor 20 Jahre lang in einem Klub gewirkt hat, wie Kind also.

Auf der anderen Seite nimmt der Druck zu, die Dinge näher zu beleuchten. Und je weiter und umso genauer die DFL hinschaut, wird wohl auch ihr deutlich, dass einiges schief läuft im Hannoveraner Kindstaat. Längst sind Gerichte eingeschaltet worden, die Staatsanwaltschaft will Unterlagen beschlagnahmen lassen. Es steht die Frage im Raum, ob Kind zulasten des Vereins gehandelt hat, des Stammvereins (e. V.) wohlgemerkt.

Vieles deutet daraufhin. Die Kapitalanteile, die Kind und andere vermögende Hannoveraner Geschäftsmänner erwarben, waren vergleichsweise günstig. Die letzten knapp 16 Prozent seiner Kapitalanteile brachten dem e. V. 2014 noch 3,25 Millionen Euro ein. Bekannt wurde der Deal erst 2015. Und dann sind da noch die Namens- und Markenrechte, die der e. V. 1997 an Kind abtrat. Es flossen 2,7 Millionen D-Mark. Einzige Bedingung: Jederzeit könne der e. V. diese Rechte für denselben Preis zurückkaufen. Mittlerweile ist bekannt: Diese Rechte sind a) millionenschwer – das Londoner Markeninstitut Brand Finance schätzt deren Wert auf rund 75 Millionen Euro. Nur liegt b) die Rückkaufoption nicht mehr beim e. V., man habe das 2014 neu geregelt, so Kind.

Zum Vorteil oder – wie Kritiker vermuteten – eher zum Nachteil des e. V.? Um diese Frage zu beantworten, reicht Tanne Tarnats Meinung eher nicht aus.