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: Kein Plan B für den Nicht-Plan

Beim FC Bayern stehen Veränderungen an, und doch wollen sie in München bleiben, was sie sind: mia

An Lampedusa kommt man beim FC Bayern- Hoeneß derzeit einfach nicht vorbei. Und los: „Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, muss sich alles ändern“, lässt Giuseppe Tomasi di Lampedusa den Neffen des Gattopardo sagen, in jenem Roman, der mit dem tollen Burt Lancaster einst als „Der Leopard“ verfilmt wurde – obwohl Ozelot oder Serval zoologisch korrekt gewesen wäre. Egal, Uli Hoeneß also. Sieht zwar noch nicht so toll aus wie Lancaster, ist aber noch patriarchischer als der sizilianischste aller Fürsten damals zwischen 1860 und 1910. Im Roman geht es um Veränderung, Entwicklung und Fortschritt – Begriffe, zu denen Hoeneß sicher auch einiges einfallen würde. Am Freitag, bei der Jahreshauptversammlung des Vereins, dessen Präsident er ist, gönnte er sich nur ein paar kurze Rückblicke auf sein erfolgreiches Wirken, erinnerte an Zeiten, als man höchste Mühe hatte, endlich die 10.000-Mitglieder-Marke zu knacken. 10.000! Ha! So viele fehlen heute noch bis zur 300.000er-Marke – Weltrekord, logisch.

Ja, der FC Bayern ist ein brutal erfolgreicher Klub: 640 Millionen Euro Umsatz, 39 Millionen Gewinn, 445 Millionen Eigenkapital, und die Champions League hat man in den vergangenen 16 Jahren auch mal gewonnen. Status quo: „Alles ist schön.“ Sagt Hoeneß. Gibt auch zu, dass es vor sechs Wochen noch nicht ganz so schön war, nach diesem 0:3 in Paris, das dieser Ancelotti noch zu verantworten hatte, der laut Hoeneß noch nicht mal den Streit im Griff hatte, wer auf der Bayern-Bank wo sitzen darf. Aber jetzt ist ja wieder der Jupp da, jetzt läuft alles wie am berühmten Schnürchen. Und nach dem Jupp? Ist vor dem Jupp. Hofft Hoeneß. Klar wehrt sich Heynckes jetzt tapfer, aber wenn er erst mal wieder das Triple geholt hat, wird er schon Geschmack dran finden … Hofft Hoeneß. Einen Plan für die Zukunft kann man das nicht nennen, eine Vision erst recht nicht. Das Schlimme ist: Zu diesem Nicht-Plan scheint es keinen Plan B zu geben.

Dass sich beim FC Bayern zum Saisonende einiges ändern wird, dürfte allen Beteiligten klar sein. Ein moderner Trainer wird gesucht, gerne deutschsprachig. Tuchel? Zu anstrengend. Nagelsmann? Zu jung. Bleibt: der Jupp, wer sonst? Uli macht das schon. Das pseudowissenschaftliche Gerede der Jungen über Doppelsechser, Umschaltspiel und andere Grundbegriffe des modernen Fußballs sind Hoeneß eh ein Graus. Er sagt allen Ernstes: „Das wirkliche Spiel ist auf dem Platz. Die Tore sind immer noch 7,32 Meter breit, und da muss er rein!“ Na, das kann doch nicht so schwer sein. Einen, der den Kaiser-Klassiker „Geht’s naus, spuit’s Fuaßboi!“ draufhat, werden sie ja wohl noch finden.

Apropos finden: Dass der Transfermarkt irgendwie wichtig geworden ist, weil selbst einst so mediokre Exbayern wie Sandro Wagner mittlerweile ein Vermögen kosten, hat man in der Zentrale auch erkannt – und auch eine Lösung parat: Hasan „Brazzo“ Salihamidžić. Die Ex­pferdelunge firmiert nun statt des verprellten Philipp Lahm als Sportdirektor, ist laut Hoeneß „total fleißig, immer gut drauf“ und soll nun ein „hochmodernes Scoutingsystem“ entwickeln – wahrscheinlich so was mit Computern, die Hoeneß ja nur aus den Nachbarbüros kennt. Das Bürschchen Brazzo soll dem Klub all die Hunderte Millionen einsparen, die man künftig für die Nachfolger von Robben und Ribery hinblättern muss. Oder man nimmt halt doch einen aus dem neuen Nachwuchszentrum, von wo aus es ungefähr vorgestern zum letzten Mal einer zu den Profis geschafft hat: Thomas Müller, die Älteren erinnern sich sicher noch.

Veränderung, Entwicklung und Fortschritt? Schön und gut, aber mia san ja mia, und mia können halt nicht anders. Und wir wollen auch gar nicht anders. Als der alte Burt Lancaster im Leoparden-Film stirbt, dünkt den Zuschauer längst, dass all das Streben nach Veränderung letztlich vergeblich ist. Aber versuchen muss man es doch wenigstens! Thomas Becker