Harald Keller
Der Wochenendkrimi
: Der Leinwandrabauke erteilt Lektionen – dieses Mal an der Côte d’Azur

Wem sein Leben lieb ist, dem sei gesagt: Leg dich nicht mit Joe Martin (Charles Bronson) an! Foto: rbb

Der Film „Ein Mann sieht rot“ erhielt 1976 in Deutschland eine „Goldene Leinwand“, eine Prämie für Lichtspiele, die binnen achtzehn Monaten mehr als drei Millionen Zuschauer erreichen. Dies war nur eine weitere Erfolgsmarke für diese US-Produktion, die zu den einträglichsten ihres Jahrgangs gehörte und vier Fortsetzungen fand.

„Ein Mann sieht rot“ ist, abweichend von der Romanvorlage, deren Autor Brian Garfield öffentlich gegen die Adaption Stellung bezog, eine manipulative, simplifizierende Selbstjustizgeschichte. Ein Muster, das Schule machte, aber durchaus bereits Vorgänger hatte. Wie in Frankreich – einem Land mit großer kinematografischer Tradition, die das intellektuelle Lichtspiel ebenso umfasst wie den zünftigen Genrefilm.

Der US-amerikanische Schauspieler Charles Bronson, der 2003 verstorben ist, festigte seinerzeit mit „Ein Mann sieht rot“ sein Image als Leinwand­rabauke. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 52 Jahre alt. In den Sechzigern hatte er sich in Hollywood einen Namen geschaffen, aber erst Sergio Leone machte ihn dann mit dem Italowestern „Spiel mir das Lied vom Tod“ zu einem Weltstar. Auch in Frankreich wurde er von Kritikern verehrt. Dort bekam er den anerkennend gemeinten Spitznamen „Le monstre sacré“ (dt. Das heilige Monster). In Italien nannte man ihn „Il Brutto“ (dt. Der Hässliche).

In diese Phase seiner Karriere fällt auch die französisch-italienische Koproduktion „Kalter Schweiß“, inszeniert von James-Bond-Veteran Terence Young. Hier lebt Joe Martin (Bronson) mit Gattin Fabienne Martin (Liv Ullmann) nebst Stieftochter Michèlle (Yannick Delulle) brav und behaglich als Touristenschipper an der Côte d’Azur. Das war nicht immer so.

Einst saß der Mann mit der undurchdringlichen Miene im Gefängnis, unternahm mit anderen einen Ausbruch, setzte sich aber ab, als die Komplizen dann zu Mördern wurden. Die früheren Mitinsassen bekamen noch mal ein paar Jahre auferlegt, möchten diese aber nicht abwarten. Ihr zweiter Fluchtversuch gelingt.

Die Herrschaften unter Leitung des finsteren James Mason planen den Einstieg in den Drogenhandel und verbinden das Vorhaben praktischerweise gleich mit der Befriedigung ihrer Rachegelüste: Sie nötigen Kapitän Bronson, ihnen mit seiner Jacht stets zu Willen zu sein. Um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen, entführen sie dessen Frau und Kind. Damit aber überspannen sie den Bogen bei Weitem. Und erhalten ihre Lektion: Leg dich nie mit Bronson an!

„Kalter Schweiß“, Sa., 0.30 Uhr, rbb