Bernhard Pötter
Wir retten die Welt
: Die 17 Gebote für Jamaika

Foto: Nestor Bachmann/dpa

Dienstagabend war ich kurz irritiert. „Jamaika einigt sich auf ersten Punkt: Die Schwarze Null bleibt!“, hieß es in den Nachrichten. Hoppla, dachte ich, macht Wolfgang Schäuble doch weiter den Finanzminister? So als Nebenjob?

Ach nein, hörte ich dann, die Sparpolitik soll weitergehen. Es ist falsch, weiter Schulden zulasten unserer Kinder und Enkel zu machen, waren sich Union, FDP und Grüne einig.

Mit unseren Verbindlichkeiten geht es ja so tatsächlich nicht weiter. Jeder Deutsche stößt 10 Tonnen Kohlendioxid im Jahr aus, es dürften aber nur 2 sein. Wir brauchen 2 Millionen Hektar Ackerfläche außerhalb Deutschlands, nur um Futter für unser Vieh anzubauen. Und unseren Jahreskonsum an Süßwasser, Böden, Fisch und Holz haben wir schon am 2. August aufgeknabbert. Gut, dass die Regierung da so entschlossen die Handbremse zieht!

Zum Glück haben wir ja eine Kanzlerin, die haltbar, wiederverwendbar und abwaschbar ist. Die hat am 24. September 2015, genau zwei Jahre vor der jüngsten Wahl, im Bundestag erklärt: „Die Bundesregierung verpflichtet sich zu einer ehrgeizigen Umsetzung der 2030-Agenda der UN. Denn auch in Deutschland sind wir an einigen Stellen noch zu weit von einem nachhaltigen Leben, Wirtschaften und Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen entfernt.“ Und deshalb passen die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (SDG) auch viel besser für die Zukunft Deutschlands als die 12 Punkte („das dreckige Dutzend“) der Sondierungsgespräche.

Das Schöne daran: Bei fast der Hälfte der Punkte sieht sich Jamaika schon am Ziel: Armut beenden, Hunger abschaffen, Schulpflicht selbst für Mädchen, Gesundheitsversorgung (na gut, mit Wartezeiten), sauberes Trinkwasser, Toi­letten für alle, funktionierende Gerichte, Frieden und bezahlbarer Strom – alles geschafft!

Die nächste Regierung kann sich also auf das konzentrieren, wo die Lösungen schon auf der Hand liegen. Auf saubere Energie: schnell mehr Ökostrom und Netze. Auf Gerechtigkeit für die Geschlechter: eine Quote. Auf nachhaltige Städte: vielleicht mal einen Bauminister, der sich darum kümmert? Auf Klimaschutz: klar, Kohleausstieg. Auf Ozeanschutz: einfach keine Fishmacs mehr kaufen. Auf die Bekämpfung von Wüsten: mehr Geld für Mecklenburg-Vorpommern.

Die Nachhaltigkeitsziele haben wir, also die ganze Welt, im September 2015 beschlossen. Ändern sollen sich nicht nur die Armen, sondern vor allem die Reichen: anderer Konsum, anderer Lebensstil, solche Sachen. Und deshalb müssen auch die Koalitionsverhandler darüber reden. Über die Rettung der Insekten. Über ein Integrationsministerium. Über mehr E-Fahrräder als Dieselmotoren. Über eine Streichung der jährlichen 58 Milliarden Euro Steuersubventionen für die Zerstörung der Umwelt.

Schön auch: Die FDP lernt, dass man „nachhaltig“, „Entwicklung“ und „Ziele“ in einem Satz sagen kann, ohne Kommunist zu werden. Und Merkel würde zum Start von Jamaika sagen: „Die Chancen sind viel größer als die Risiken. Wir müssen sie nur erkennen und nutzen, Und wer, wenn nicht wir, hätte die Kraft dazu? Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.“ So wie sie es bereits am 24. September 2015 sagte. Das wäre dann ein Triumph der Kreislaufwirtschaft – übrigens Ziel Nummer 12 der SDG.