vom
glück,
eine
kastanie
in
der
tasche
zu
tragen

Schreib was über das Glück, eine Kastanie in der Jackentasche zu tragen, sagen die Kollegen. Über ihre Form. Das Runde, leicht Verbeulte. Schreib, dass sie anfangs kühl ist und später, vom vielen Wenden und ­Aneinanderklacken, warm. Dass du sie dauernd drehst; du trägst ein komisches Geheimnis in der Hand. Eigentlich mehrere: ein rissiges, ein vertrocknetes und ein kleines, nicht größer als eine Bohne.

Schreib, dass die Kastanie der Vorläufer des Smartphones ist, sagen die Kollegen: die wird gestreichelt, ungern weggelegt. Ihre Oberfläche ist weich und glatt zugleich. Dass man sie drücken kann wie einen Tennisball während der Therapiestunde. Dass eine Kastanie wirkt wie Baldrian.

Kannst auch allgemein über Glück schrei-ben, darüber, wie schwer das fällt, weil der Nachbar von Glück ja Kitsch ist, und man sich, ehe man das richtig versucht hat – Glück zu formulieren –, in Kalendersprüchen verheddert hat, bei Schriftstellerzitaten, einem pompösen Hesse womöglich: Wer lieben kann, ist glücklich. Oder beim Pädagogen Fontane: Wenn man glücklich ist, soll man nicht noch glücklicher sein wollen.

Und jetzt ehrlich: Fontane haben die Kollegen nicht gefordert. Aber zu erwähnen, dass es direkt viel weniger schlimm ist, wie vorbei der Sommer ist, wenn dir jemand eine Kastanie schenkt, vielleicht wie jedes Jahr – das bestimmt.

Annabelle Seubert