„Wir müssen aufpassen“

Wie gefährlich sind die Neonazis im Militär? Wehrbeauftragter Hans-Peter Bartels appelliert an Soldaten, fragwürdige Äußerungen zu melden

Hans-Peter Bartels, Jahrgang 1961, ist Mitglied der SPD und seit 2015 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

Interview Martin Kaul

taz: Herr Bartels, der Militärische Abschirmdienst hat seit 2008 rund 200 Rechtsextremisten in der Bundeswehr entdeckt. Was sagt uns das?

Hans-Peter Bartels: Das sagt uns, dass man aufpassen muss. Rechtsextreme fühlen sich offenbar zum Militär hingezogen, nicht nur in Deutschland. Aber es muss klar sein, dass diejenigen, die unsere freiheitliche Ordnung bekämpfen, nicht in der Bundeswehr dienen können. Deutsche Soldaten verteidigen Recht und Freiheit.

200 amtlich bestätigte Neonazis in zehn Jahren – ist das eigentlich viel oder wenig?

Bei einer Armee, die vor zehn Jahren 250.000 Köpfe zählte und heute noch 185.000, ist das eine überschaubare Zahl. Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht wechselten 100.000 Grundwehrdienstleistende jährlich rein und raus. In diesen Zeiten gab es deutlich mehr Fälle von Rechtsextremismus als heute, sagt der MAD.

Bei den 200 Rechtsextremisten handelt es sich um all jene, bei denen der Militärische Abschirmdienst zu einem eindeutigen Ergebnis kam. Wie hoch ist die Dunkelziffer derer, die erst gar nicht auf dem Radar gelandet sind – und bei denen Restzweifel bestehen?

Es gibt sehr viel mehr gemeldete Verdachtsfälle oder Unklarheiten, die sich aus Anlass von Sicherheitsüberprüfungen ergeben. Oft führt die weitere Überprüfung dann zur Entlastung des Soldaten. Aber natürlich bleibt ein Restrisiko.

Spätestens seit dem Fall des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. herrscht in der Bundeswehr Unsicherheit – auch weil das Verteidigungsministerium im eigenen Laden aufräumen wollte. Wie weit ist es damit gekommen?

Falls Sie die Durchsuchung aller 33.000 Gebäude der Bundeswehr nach Wehrmachtsdevotionalien meinen: Da kam eher heraus, dass sich wirklich Problematisches nur noch in Einzelfällen findet. 400 Dinge wurden gemeldet – vom Degen aus napoleonischer Zeit bis zum Hakenkreuz auf dem Modell einer Me 109. Also: tendenziell Fehlanzeige. Die jetzt laufende Überarbeitung des Traditionserlasses von 1982 begrüße ich ausdrücklich. Das ist ein Anstoß, nach über 60 Jahren auch die eigene erfolgreiche Bundeswehrgeschichte in den Blick zu nehmen.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass rechtsextreme Personen oder Gruppen die Bundeswehr gezielt nutzen oder unterwandern?

Die Gefahr ist abstrakt immer gegeben, in aktiven Strukturen wie bei Reservisten. Bei Franco A. hatte das zudem ganz klar eine kriminelle Komponente. Aber Rechtsextremismus scheint mir heute nicht das größte Problem der Bundeswehr zu sein, sondern Mangelwirtschaft, Überlastung und zerbrechende Familien.

Früher durfte im Prinzip jeder bei der Bundeswehr mitmachen – außer einem polizeilichen Führungszeugnis gab es kaum weitere Sicherheitsüberprüfungen. Das ist erst seit dem 1. Juli 2017 anders. Was hat sich seitdem zum Positiven geändert?

Auf neuer Rechtsgrundlage wird jetzt jeder und jede, der oder die neu in die Bundeswehr eintritt, einer ersten Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Das ist nützlich, aber natürlich noch keine Garantie. Auch Vorgesetzte und Kameraden sollten immer hingucken, nicht wegschauen oder weghören, wenn’s garstig wird. Nicht wegzuschauen ist eine Frage der Ehre.