Fantasy und Western für Kinder: Überraschendes aus Chintia

Anne Brouillards Comic „Der große Wald“ ist einfallsreich. In „Der Bandit mit dem goldenen Colt“ interpretiert Simon Roussin den Western neu.

eine sehr farbenfrohe gezeichnete Saloonschlägerei

Szene aus „Der Bandit mit dem goldenen Colt“ von Simon Roussin Foto: Susanna Rieder Verlag 2017

„Der große Wald“, so der Titel der il­lus­trierten Geschichte von Anne Brouillard, liegt im fernen, unbekannten „Chintia“. Umgeben vom Meer, fügen sich elf Regionen mit sagenhaft klingenden Namen zu einem vielversprechenden Ganzen zusammen. Mit einer großen Übersichtskarte vom „Land des Stillen Sees“, dem zentralen Ort der Handlung, beginnt die belgische Autorin ihr neues Buch über die Suche nach dem vermissten Zauberer Vari von Drunter. Mal als Comic, mal als Bilder zur Erzählung angelegt, eröffnen Brouillards feine, detailreiche Zeichnungen den Blick in eine freundliche, wenn auch rätselhafte Welt.

In einer rosa Villa am See, umgeben von Birken und Kiefern, liebt Killiok es eigentlich, gemütlich am Kamin zu sitzen, Kaffee zu trinken und dem Regen zu lauschen. Doch der schwarze Hund, dessen Gestalt an eine Muminfigur von Tove Jansson erinnert, macht sich Sorgen um den verschwundenen Freund, genauso wie Veronika, seine aufgeräumte Nachbarin. Ausgerüstet mit Rucksack, Proviant und Zelt, machen sich die beiden also auf den Weg durch den großen Wald, um Vari von Drunter zu finden. Erste Hinweise geben ihnen Kräh und Krah, die Krähen: „Fremde Gestalten streifen durch den Park des Laboratoriums. Und nachts brennen dort Lichter.“

In dem Buch „Der Große Wald“ zeichnet Anne Brouillard, Tochter eines belgischen Vaters und einer schwedischen Mutter, das Porträt einer Landschaft, die deutlich skandinavische Züge trägt und die bevölkert wird von einem Potpourri überraschender Charaktere und exzentrischer Individualisten. Killiok und Veronika zelten einsam am See, flüchten sich bei Regen dann in die Hütte des freundlichen Einsiedlers Pikkili Mimu und treffen im Wald zufällig auf die Teilnehmer einer Flugschau. Auch in der deutschen Übersetzung von Julia Süßbrich er­gänzen sich Text und Bild in schönem Einklang.

Gemeinsam mit Kater Mysterio und Kater Spiegel, zwei alten Bekannten, gelingt es den beiden Reisenden, eine Gruppe niedlicher Mooskinder aus den Fängen der geheimnisvollen Schwarzmäntler zu retten. Über traumwandlerische Pfade führt ihre Nacht-und-Nebel-Aktion sie danach bis zum Laboratorium von Professor Ysop und auch zum Ziel ihrer Reise. Virtuos und ohne Klischees gelingt es Brouillard mit ihrer Erzählung aus dem Land der Chintier, eine verschlungene Erlebniswelt voll Individualität entstehen zu lassen, die durchdrungen ist von Humanismus.

Bilderbuchwestern

Mit grellen ­Filzstiftzeichnungen, die zwischen naiver Detailfreude und expressiv ab­strak­tem Farbrausch changieren, nähert sich der französische Illustrator Simon Roussin der Faszination klassischer Wildwestheldenromantik. In seiner jetzt in deutscher Übersetzung erschienenen Bildgeschichte „Der Bandit mit dem goldenen Colt“ erzählt er von den zwei ungleichen Brüdern Jesse und Henry Moonlight, die der frühe Tod der Eltern und das Schicksal früh getrennte Wege gehen lässt.

Anne ­Brouillard: „Der Große Wald“. Aus dem Franzö­sischen von Julia Süßbrich. Moritz Verlag, Frankfurt a. M. 2017, 80 Seiten,19 Euro. Ab 6 Jahre

Simon Roussin: „Der Bandit mit dem goldenen Colt“. Aus dem Französischen von Susanna und Johannes Rieder. Susanna Rieder Verlag, München 2017, 64 Seiten, 21 Euro. Ab 9 Jahre

Jesse wird schon bald zum skrupellosen Gangster – dem Cowboy mit dem goldenen Colt –, während der jüngere Henry bei einem alten Trapper zurückgezogen in den Wäldern aufwächst. Nach vielen Jahren kommt es in der Winterlandschaft Montanas schließlich zum verhängnisvollen Wiedersehen der Brüder und zum tragischen Showdown.

Postkutschenüberfälle, Bankraub und Saloonraufereien – Simon Roussin greift in seiner Geschichte das klassische Bildrepertoire des Western auf, um es schließlich mit seinen leuch­ten­den Filzstiftzeichnungen in etwas weniger Heroisches zu verwandeln. Besonders eindrucksvoll gerät die Auseinandersetzung mit den Vorbildern in dramatisch wirkenden seitenfüllenden Bergpanoramen, Ansichten von Wasserfall oder Schneetreiben, die auch von der Freude am Zeichnen handeln.

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