Tschechiens Männerfußball-Nationalteam: In schwierigen Verhältnissen

Der deutsche Gegner in der WM-Qualifikation steht nicht gut da. Skandale und Nachwuchsprobleme bremsen den tschechischen Männerfußball.

Zwei Fußballer beim Zweikampf, es siehte eher nach Ringen aus

Mühsame Zeiten für Tschechiens Fußball: Theodor Gebre Selassie (links) im Zweikampf Foto: reuters

PRAG taz | Pavel Kuka sagt, er sei grundsätzlich Optimist. Aber auf die Frage, wie die Chancen der tschechischen Nationalmannschaft am Freitagabend im WM-Qualifikationsspiel gegen Weltmeister Deutschland seien, seufzt er. Dann antwortet er zurückhaltend: „Ich hoffe, dass es besser wird als beim letzten Mal und die Mannschaft es den Deutschen schwermacht.“

Das Hinspiel verloren Tschechiens beste Fußballer gegen die Weltmeister von Joachim Löw im vergangenen Oktober in Hamburg mit 0:3, die Auswahl von Trainer Karel Jarolim war so chancenlos wie es das Ergebnis ausdrückt. Die Chance, das Ticket für die WM 2018 in Russland zu ziehen, ist für die Tschechen nur noch klein. Hinter Tabellenführer Deutschland (18 Punkte) liegen sie mit neun Zählern vier hinter dem Zweiten Nordirland, dem Gegner am kommenden Montag in Belfast.

Auch Optimisten wie Kuka fällt es angesichts dieser Lage schwer, Hoffnung zu verbreiten. Der ehemalige Nationalspieler gehört zur großen Generation des tschechischen Fußballs: Kuka stand 1996 im Londoner Wembley-Stadion im verlorenen EM-Finale gegen Deutschland – zusammen mit Pavel Nedved, Miroslav Kadlec und all den anderen. Seine beste Zeit als Spieler erlebte der schnelle Mittelstürmer in Deutschland, mit dem 1. FC Kaiserslautern gewann er 1998 die Deutsche Meisterschaft. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete der 49-Jährige als Sportdirektor bei einigen tschechischen Klubs.

Seit fünf Jahren ist er für ein spezielles Projekt verantwortlich. Mit Mitspielern aus den glorreichen Zeiten veranstaltet er Benefizspiele, um Geld für ehemalige Fußball-Nationalspieler oder andere Sportler zu sammeln, denen es nicht so gut geht. „Viele bekommen keine Rente oder leben in sozial schwierigen Verhältnissen“, erklärt Kuka.

Dass die ständige Erinnerung an die erfolgreiche Generation die aktuelle belaste, sei aber nicht der Hauptgrund für das Abdriften ins graue europäische Mittelmaß, glaubt Kuka: „Wir haben einige Fehler gemacht in den letzten Jahren.“ So sei zu lange mit dem Einbau junger Spieler in die Nationalelf gewartet worden. Die Tschechen seien einer Art Aberglauben verfallen gewesen: „Man habe geglaubt, ein Pavel Nedved und andere Helden könnten auch noch mit 50 spielen.“

Ein 36-jähriger Hoffnungsträger

Nach dem Vorrunden-Aus bei der letzten EM traten mit Torwart Petr Cech und Jaroslav Plasil zwei Routiniers zurück, Tomas Rosicky, 36, fehlt am Freitag – laut beweint – mal wieder verletzt. Es sagt viel über den Zustand des tschechischen Fußballs aus, wenn der alte, verletzungsgeplagte Mittelfeldspieler noch immer als Hoffnungsträger gesehen wird. Die Offensivverteidiger Pavel Kaderabek von der TSG Hoffenheim und Theo Gebre Selassie von Werder Bremen sowie Mittelfeldspieler Vladimir Da­rida von Hertha BSC Berlin gehören zu den besten Spielern der tschechischen Nationalmannschaft.

Kuka hofft, dass sich endlich neue Talente durchsetzen. Im Angriff könnte vielleicht Patrik Schick, 21, zu einem neuen Pavel Kuka reifen. Der Stürmer wechselte jüngst für 38 Millionen Euro von Sampdoria Genua zu AS Rom. Mit 11 Toren in 32 Spielen für Genua hat Schick auf seiner ersten Auslandsstation Potenzial bewiesen.

Grundsätzlich findet Kuka, sei es an der Zeit, den Druck von der Nationalmannschaft zu nehmen und nicht zuallererst auf Ergebnisse zu schauen. Trainer Jarolim, sein ehemaliger Mitspieler bei Sparta Prag, müsse den Jungen vertrauen. Ziel müsse sein, eine starke Elf für die nächste EM-Qualifikation aufzubauen.

Im Gegensatz zur WM-Teilnahme sei die Qualifikation für die EM 2020 Pflicht, sagt Kuka. Denn dort könnten die jungen Spieler sich einen Namen machen – ganz so wie 1996 bei der EM in England. Wer habe vor dem Turnier damals schon die Namen Poborsky, Nedved, Berger oder Smicer gekannt, fragt Kuka: „Danach war das ganz anders.“

Der Verbandspräsident wurde verhaftet

Doch mangelt es nicht nur an Großtalenten. Der tschechische Fußball produziert regelmäßig Skandale. Im Mai wurde Verbandspräsident Miroslav Pelta verhaftet. Er soll staatliche Fördergelder veruntreut und seinem Heimatverein, dem FK Jablonec, zugeführt haben. Pelta ist mittlerweile zurückgetreten, beteuert aber seine Unschuld, auch im Ministerium für Bildung und Sport gab es Rücktritte. Der Hauptsponsor der Ersten Liga zog nach Bekanntwerden des Skandals sein Engagement zurück.

Fast überall fehle es an Geld, klagt Kuka, außer Sparta Prag habe kein einziger Verein ein professionelles Trainingszentrum. Bei Slavia Prag ist seit einem Jahr ein chinesischer Investor am Werk. Kuka hofft, dass die Chinesen langfristig denken und in die Nachwuchsförderung investieren.

Am Freitag wird er sich mit den alten Mitspielern von 1996 vor dem Anpfiff in Prag zum Golfen treffen und dann zum Spiel gehen. Seit dem letzten traurigen Auftritt gegen Deutschland sei aber eine Steigerung zu erkennen, findet Kuka. Ganz schwarz will er die Zukunft nicht malen.

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