berliner luft
: Neunzig Minuten

die berliner parlamentskolumne

von Anja Maier

Schön war es am Dienstag bei der Merkel-Pressekonferenz. Schön warm auf jeden Fall. So warm, dass das ZDF-„heute-journal“ in seiner Zusammenfassung schlummernde Kollegen zeigte, die ob der mitreißenden Performance der Bundeskanzlerin ermattet in ihren Klappstühlen hingen.

Anderthalb Stunden hatte Angela Merkel mitgebracht. Einmal im Jahr kommt sie in den Saal der Bundespressekonferenz und lässt sich von den Hauptstadtjournalisten durch einen Fragenparcours jagen. Erstaunlich, dass sie auf alles eine Antwort wusste. Dieselgate, Türkeipolitik, Flüchtlinge, selbst zur Stahlindustrie wusste sie allerlei Kundiges von sich zu geben.

Und wo sie nicht so recht wusste oder keine Lust hatte, sich festzulegen, trat sie argumentativ einfach beiseite und ließ die Frage rhetorisch gekonnt ans Abseits kullern.

Die Spielberichte fielen entsprechend gemischt aus. Den einen war die Frau im roten Blazer zu langweilig. Den anderen dienten ihre routinierten Antworten als Ausweis von nervlicher Stärke, mithin Regierungskompetenz. Wieder andere schliefen ein, ich schrieb es bereits.

Am kommenden Dienstag jedoch dürften die von der Wahlkampfberichterstattung ausgelaugten Kollegen zu anderen Schlüssen kommen. Um 9 Uhr öffnet noch einmal der Bundestag seine Pforten, die Abgeordneten versammeln sich zur Generaldebatte, und oben auf der Pressetribüne finden sich auch die Berichterstatter ein.

Für den ersten Tagesordnungspunkt „Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland“ sind dreieinhalb Stunden angesetzt. Echt lange, dennoch sicher zu knappe Zeit für die Fraktionen, einander gegenseitig des zurückliegenden, vier Jahre währenden Nichtstuns zu bezichtigen, um als Lösung sämtlicher Probleme die Wahlprogramme ihrer jeweiligen Partei ins Spiel zu bringen. Sahra Wagenknecht wird vielleicht wieder auf das „perverse“ Finanzsystem schimpfen. Sie hat zwar recht, aber zwischen ihrer damenhaften Erscheinung und ihrem mitunter rüden Wortschatz klafft doch eine deutlich wahrnehmbare Lücke.

Martin Schulz darf ja noch nicht dabei sein. Er ist zwar SPD-Kanzlerkandidat, aber (noch) kein Bundestagsabgeordneter.

Gute Reden, wie man sie sich gern zu seiner Zeit als EU-Parlamentspräsident angehört hat, wird er im Reichstagsgebäude erst nach der Wahl halten. Einschlafen wird dann niemand, versprochen.