Wenn das Erbe zum Fluch wird

Griechenland Immer mehr Menschen schlagen ihre Erbschaften aus, weil sie die damit verbundenen Kosten nicht tragen können. Dies gilt speziell für Häuser und Wohnungen

Immer neue Steuern haben die Griechen in den Zeiten der Krise arg gebeutelt Foto: Petros Giannakouris/ap

Aus Athen Theodora Mavropoulos

„Ich bin in dieser Wohnung in Athen aufgewachsen“ sagt Petros Marasoglou. Der 46-jährige sitzt im Büro seines Steuerberaters und wartet auf seinen Termin. „Jetzt zieht mir der Staat einen Strich unter meine Vergangenheit. Ich kann mein Erbe nicht antreten“, so Marasoglou. Um die Wohnung seines Vaters übertragen zu bekommen, muss der 44-Jährige eine Summe von etwa 29.000 Euro zahlen. „Das Geld habe ich einfach nicht“, seufzt der Familienvater.

Immer mehr BürgerInnen in Griechenland lehnen nach Angaben der griechischen Regierung ihr Erbe ab. Die Zahl sei in den vergangenen vier Jahren dramatisch gestiegen, sagt Justizminister Stavros Kontonis. Hauptsächlich gehe es dabei um Wohnungen, Häuser und Grundstücke. So gab es im vergangenen Jahr 54.422 Fälle der Erbverweigerung – das waren fast doppelt so viele wie 2013. Er habe in Zeiten der Krise eigentlich Glück gehabt, meint Masrasoglou.

Die Arbeitslosenquote liegt bei 23,5 Prozent und ist damit so hoch wie in keinem anderen EU-Staat. Doch er habe einen Job und könne seine Familie davon ernähren. Dennoch reicht das Einkommen des Programmierers nicht für das Erbe. „Ich wollte das Haus langsam aufbauen und es später einmal meinen Kindern vererben“, sagt der Mann leise.

„Viele GriechInnen sind arbeitslos, aber auch diejenigen mit Einkommen können die Erbschaftssteuern und die jährlichen Immobiliensteuern (ENFIA) nicht aufbringen“, bestätigt Steuerberater Panajotis Pandelis. Die ENFIA-Steuern variieren und werden nach einem von der Regierung festgelegten Schätzwert berechnet, der sich aus Quadratmeterzahl, Baujahr und der Gegend, in der sich das Objekt befindet, zusammensetzt. Oftmals konnten die Besitzer die ENFIA-Steuer nicht bezahlen, berichtet der 58-Jährige. Das Erbe ist damit überschuldet und wird mit diesen Schulden auf den Erben übertragen.

„Bis vor Kurzem wäre es niemandem in den Sinn gekommen, das Erbe abzulehnen,“ sagt Pandelis kopfschüttelnd. Selbst wenn die Erbschaftssteuer noch bezahlt werden könnte, so verursachten Erbschaften in den meisten Fällen wegen der Besteuerung und den Erhaltungskosten nur Ausgaben und keine Einnahmen. Auch hohe oder kosten deckende Mieten könnten nicht mehr gefordert werden, da die meisten der MieterInnen verarmt sind. Wenn jemand das Erbe ablehnt, wird der Verwandte gesucht, welcher der nächste rechtsgültige Erbe ist.

Die Familienkette muss bis zum letzten Mitglied abgearbeitet werden, bevor dem Staat das Erbe zufällt. „Die meisten kennen sich mit den Erbgesetzten natürlich nicht aus“, so der Steuerberater. Man hat eine viermonatige Frist, um das Erbe abzulehnen. Verpasst man diese Frist, muss man zahlen. „Und so sagen wir unseren Kunden, die das Erbe ablehnen: informiert unbedingt eure Verwandten“, berichtet Pandelis. Früher habe man sich gefreut, etwas zu erben – heute sei das ein Fluch.