Der Hirnchirurg

Wie machen Sie das?

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Hannes Haberl, 61, leitet die Abteilung für Pädiatrische Neurochirurgie an der Universitätsklinik Bonn. Der Professor ist einer von wenigen Kinderneurochirurgen in Deutschland.

taz.am wochenende: Herr Haberl, Sie operieren Kindern Tumore aus dem Hirn. Dabei müssen Sie sich über Stunden hoch konzentrieren. Wie machen Sie das?

Hannes Haberl: Operieren braucht Übung, wie jedes anspruchsvolle Handwerk. Wenn man Routine hat, kann man sich Kraft aufheben für die schwierigeren Schritte. Auch muss man mit seinem eigenem Körper umgehen können wie Leistungssportler. Es gibt extrovertierte Operateure, die mit sehr viel Kraft und offensiv herangehen. Ich selbst bin eher der meditative Typ. So eine OP hat ja auch einen gewissen Flow.

Und wenn die Konzentration plötzlich weg ist?

Manchmal kann man den Unterschied zwischen dem Tumor und dem gesunden Gewebe nicht sehen, sondern nur an der Konsistenz spüren. Wenn man da stockt, ist es gefährlich. Dann lasse ich alles fallen und gehe einfach raus. Ich mache fünf Minuten Pause und trinke Kaffee oder unterhalte mich über Fußball. Wenn ich dann wieder rangehe, erschließt sich in neun von zehn Fällen das Problem wie von selbst.

Und wenn Sie doch einmal einen Fehler gemacht haben: Wie vermeiden Sie, dass vor lauter Schreck gleich der nächste folgt?

Da gibt es sogenannte Refokussierungstechniken, die gut und vor allem schnell funktionieren. Die habe ich aus der Sportpsychologie gelernt. Man muss eine Formel für sich finden, die einen in einen Hochleistungsmodus versetzt. Die kann ganz kurz sein oder ein paar Sätze. Etwa: Ich hatte schon so viele Erfolge und werde das auch hinkriegen. Oder: Ich mache es für meine Kinder. Die Formel sagt man dann zum Beispiel seinem Kuscheleichhörnchen und wiederholt sie sehr oft, bis der eigene Körper sich in Richtung Leistungsbereitschaft verändert. Die Formel braucht man dann nicht mehr: Ich denke nur an das Eichhörnchen und bin wieder voll da.

Interview Sebastian Erb