Gut geerdet

TRANCE Als eine der ersten Frauen spielte die Simbabwerin Stella Chiweshe in ihrer Heimat das Instrument Mbira. Heute tritt die Wahlberlinerin bei einem Festival auf

Stella Chiweshe Foto: Planetrock

Stella Rambisai Chiweshe ist eine stille Heldin mit lautem Lachen. Das erklingt vor allem, wenn die Frage wirklich nur mit Gelächter und einem „Was weiß ich denn!“ beantwortet werden kann. Zum Beispiel: Warum war das Spielen der Mbira für Frauen verboten? Oder: Wie haben Sie es geschafft, aus dem Untergrund heraus zum Popstar zu werden? In Simbabwe, ihrem Geburtsland, ist Chiweshe eine Ikone der Folkloremusik und Vorbild für nachfolgende Musikerinnen.

Geschafft hat sie das mit Hartnäckigkeit. „Es war nicht leicht, jemand zu finden, der mir die Mbira beibrachte. Es war in diesen Jahren nur Männern erlaubt. Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben. Mein Großvater wusste aber, dass ich es wirklich lernen wollte. Er brachte mich in ein Dorf, weit weg. Dort unterrichtete man mich.“ Die Mbira ist ein traditionelles Instrument der Shona, der größten Bevölkerungsgruppe Simbabwes. Es ist ein Lamellophon – vergleichbar etwa der Kalimba –, bei dem die Töne durch Anschlagen und Zupfen von Metallzungen erzeugt werden. In den späten Sechzigern, als Chiweshe das Instrument lernte, war die Mbira vor allem im religiösen Kontext wichtig, in der Bira-Zeremonie, in der die Geister der Ahnen angerufen werden. Die repetitiv-minimalistischen Melodien und Rhythmen der Mbira helfen den Beteiligten, eine Art Trancezustand zu erreichen.

In den politischen Unruhen der frühen siebziger Jahre, als Simbabwe zwar noch britische Kronkolonie war, aber bereits ein weißes Apartheidregime einseitig die Unabhängigkeit erklärt hatte, während mehrere Schwarze Guerillagruppierungen am Umsturz arbeiteten, war die Zeremonie und auch das Spiel der Mbira verboten. Chiweshe spielte trotzdem und leitete das Ritual. In der Provinz, versteckt. Warum sie nicht festgenommen wurde? „Was weiß ich! Glück!“

Ab Mitte der Siebziger konnte sie schließlich legal Musik aufnehmen, 1975 erreichte ihre Single „Kassahwa“ Goldstatus in Simbabwe, sie spielte in Filmen mit, ging international auf Tour und begann in den Achtzigern, die Mbira im Kontext der Popmusik neu zu denken. Ihr Erfolg half, die traditionelle Musik Simbabwes auch für andere Frauen zu öffnen – und gab dem Land so insgesamt einen feministischen Spirit.

Die Songs änderten sich in den 45 Jahren ihrer Karriere allerdings kaum, es sind Traditionals. Die Inhalte? „Oft geht es um Verletzungen, es geht um Abschiede. Manchmal frage ich nach einem Konzert: Was habt ihr empfunden? Und dann höre ich völlig unterschiedliche Geschichten.“ Die Musik entwickelt schnell einen hypnotischen Reiz, die repetitiven melodischen Patterns, die monotonen Rhythmen der Hosho-Rasseln, die traditionell die Mbira begleiten, und Chiweshes etwas jenseitiger Gesang spielen perfekt ineinander, lassen die rituellen Wurzeln der Musik erahnen. „Natürlich spiele ich spirituelle Musik, aber in Trance könnte ich nicht fallen, dafür sind die Songs zu kurz.“ Die spirituelle Seite ihrer Musik bleibt sehr wichtig, denn da sieht sie doch gehörigen Nachholbedarf bei ihrem europäischen Publikum. Ihre Lieder singt sie auch mal für das Wasser oder für Mutter Erde. Aber nie predigend und vor allem nie zu esoterisch. Stella Chiweshes Musik ist, wie sie selbst, ganz gut geerdet.

Ihre Heimat findet die 70-jährige heute gleichermaßen in der simbabwischen Hauptstadt Harare wie in Berlin. „Wenn ich in meiner Heimat spiele, nehmen die Menschen an meiner Show teil, sie singen mit, tanzen. Aber Berlin mag ich auch sehr gern. Die Leute hier sind wirklich – wie kann ich es ausdrücken – cool.“ Steffen Greiner

Stella Chiweshe spielt heute am Samstag beim Festival Down By The River im About Blank, Markgrafendamm 24c, 14 bis 22 Uhr. Das ganze Programm: www.downbytheriver-berlin.de