„Mutig wäre, den Union-Fans Helene Fischer vor die Nase zu setzen“

Das bleibt von der Woche Jubelnde Baustadträte, Zeichen für einen Wandel der Berliner CDU, ein Fußballklub, der weiß, wie man mit Fans umgeht, und Hochzeiten, die wegen Personalmangels verschoben werden müssen

Heiraten nur mit Notfallantrag

Wartezeit im Standesamt

Mitte könne „keine StandesbeamtInnen entbehren“ und keinem Bezirk helfen

Die Pressemitteilung aus der Senatsverwaltung für Inneres kam unerwartet. „In letzter Zeit kommt es immer wieder zu langen Wartezeiten in einigen Standesämtern Berlins“, hieß es da am Montag. So was weiß ja nur jemand, der selbst heiraten oder eine Lebenspartnerschaft begründen will, wie es hübsch umständlich auf Amtsdeutsch heißt. Das Problem sind die Termine für die Zeremonie, für die es hierzulande nun mal einen Standesbeamten braucht.

Mit einer Art Personalkarussell will Staatssekretärin Sabine Smentek, verantwortlich für Bürgerdienste (also auch Standesämter), Abhilfe schaffen – mit der „Notfallbestellung auf Antrag“. Das bedeutet, dass sich der eine Bezirk bei Bedarf Standesbeamte bei einem anderen Bezirk ausleihen kann, wenn es etwa krankheitsbedingt eng wird.

Das Standesamt Mitte ist nach eigenen Angaben eins der größten in Deutschland. Im ersten Quartal 2017 gab es hier 144 Eheschließungen und 16 Lebenspartnerschaften – in ganz Berlin waren es im selben Zeitraum 1.986 Trauungen und 135 Lebenspartnerschaften. Die Bezirksstadträtin für Bürgerdienste, Sandra Obermeyer, hatte in der taz die Mitteilung der Innenverwaltung als „gutes Signal“ gewertet. Trotzdem heißt es aus Mitte, man könne „keine StandesbeamtInnen entbehren“ – und also keinem anderen Bezirk aushelfen.

Obermeyer hat ja recht, wenn sie darauf verweist, dass solche „Notfallbestellungen“ nur dann funktionieren, wenn es denn überhaupt MitarbeiterInnen zum Verteilen gibt. „Mein Problem sind insbesondere langzeiterkrankte StandesbeamtInnen“, so die Stadträtin. Man würde besser auf pensionierte StandesbeamtInnen setzen oder KollegInnen aus Brandenburg, die vielleicht in Berlin aushelfen könnten. Andreas Hergeth

Allein die Drohung reicht schon

Vorkaufsrecht

Jetzt müssen nur noch mehr ­Milieuschutzgebiete geschaffen werden

Es sei der bisher schönste Moment in seiner noch recht kurzen Tätigkeit als Baustadtrat gewesen, sagt Florian Schmidt. Der Grüne aus Friedrichshain-Kreuzberg hatte am Donnerstag das Milieuschutzgebiet in der Südlichen Friedrichstadt vorgestellt, das bislang neunte in seinem Bezirk. Damit ist FHXB Vorreiter in Berlin.

Und Vorreiter ist der Bezirk auch, wenn es darum geht, das kommunale Vorkaufsrecht wahrzunehmen. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg werden derzeit sieben Fälle geprüft, in denen der Bezirk einem Käufer das Haus wegschnappen kann, wenn der sich nicht verpflichtet, die sozialen Ziele in einem Milieuschutzgebiet einzuhalten. Auch in der Südlichen Friedrichstadt ist das nun möglich.

Natürlich hat das Instrument seine Macken, wie das Beispiel Danziger Straße 55 in Prenzlauer Berg gezeigt hat. Der Kaufpreis war schlicht zu hoch für eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft oder für die Bremer Höhe, eine Genossenschaft, die sich ebenfalls für das Mietshaus interessiert hat.

Dass es aber nicht immer gleich die ganze Härte des Vorkaufsrechts sein muss, mit der die Bezirke agieren können, zeigt ein weiteres Beispiel. Just an dem Tag, an dem Florian Schmidt den schönsten Tag seiner Amtszeit feierte, hatte auch sein grüner Stadtratskollege in Neukölln Grund zum Feiern. Stolz nämlich postete Jochen Biedermann auf Facebook, er habe gerade zwei Abwendungserklärungen unterzeichnet. Das sind jene Verträge mit Eigentümern, in denen diese sich verpflichten, den Milieuschutz zu achten – und auf Umwandlung in Eigentum oder Luxusmodernisierungen zu verzichten.

Das kommunale Vorkaufsrecht ist also nicht nur die Ultima Ratio des Bezirks. Es wirkt bereits als Drohung. Jetzt müssen nur noch mehr Milieuschutzgebiete ausgewiesen werden. In Friedrichshain-Kreuzberg leben bereits 58 Prozent der Bevölkerung in solchen Gebieten, in Berlin sind es im Schnitt aber nur 20 Prozent. Uwe Rada

Der Club kennt seine Schäfchen

Stadionausbau FC Union

Den Stress als Hauptstadtklub überlassen Unioner lieber Hertha

Man darf Union Berlin schon ein bisschen lieben für den Stadionausbau. Das ist zwar mittlerweile so, als würde man dem coolsten Jungen der Klasse hinterherlaufen, den jeder toll findet, aber trotzdem ...

28.000 Stehplätze wird die Alte Försterei in Zukunft haben, der nostalgische Charme bleibt erhalten, Nackensteak bleibt Nackensteak, und die Anhänger durften bei der Planung mitgestalten; ein Fantraum von einem Stadion. Die von Fans gebauten Tribünen bleiben unangetastet, der neue Oberrang war ein Wunsch der Anhänger, und dann kriegen die Neubauten auch noch gelbe Klinker in Anlehnung an, Zitat, „Oberschöneweider Industriebauten“. Viel fanfreundlicher und bodenständiger kann man ein Stadion nicht gestalten.

Mutig, wie viele schreiben, ist das dabei gar nicht so sehr. Mutig wäre, dem Köpenicker Anhang eine Riesenschüssel mit fünf Videowürfeln, 50 Prozent VIP-Logen und Helene-Fischer-Auftritt vor die Nase zu setzen. Union kennt seine Schäfchen. Respektieren muss man sie aber auch erst mal.

Davon lernen könnte vor allem der Nachbar im Westen. Auch Hertha wollte die Anhänger beim Stadionbau einbinden und hat sie gefragt, wo das neue Stadion stehen soll. 95 Prozent waren gegen Brandenburg. Die Verantwortlichen hielt das nicht davon ab, weiter Ludwigsfelde zu propagieren. Demokratie – ist das nicht das, wo man so lange abstimmen lässt, bis das Ergebnis stimmt? Die wütenden Proteste waren dann nicht überraschend.

Natürlich hat es Union leichter: kein Denkmalschutz, keine alte Nazischüssel, kein stressender Senat, keine Leichtathleten an der Backe. In einem Berliner Entenhausen hat sich Union gerade zu einer Mischung aus Donald Duck und Gustav Gans entwickelt: ein liebenswerter Außenseiter, dem auch noch alles gelingt. Hertha kann einem fast schon leidtun.

„Union ist der neue Hauptstadtklub, Hertha kann nach Brandenburg gehen“ – so oder ähnlich hämte das Internet. Aber das ist natürlich Quatsch: Den Stress als Hauptstadtklub überlassen die Unioner lieber Hertha. Was die machen können? Vielleicht mal bei den Fans nachfragen. Alina Schwermer

Eine Chance zum Neubeginn

CDU-Parteitag

Solche Personalentscheidungen waren lange alles andere als prägend für die CDU

Nein, es ging CDU-mäßig nicht nur um Helmut Kohl in der vergangenen Woche. Doch es begünstigte die ohnehin eingeschränkte Aufmerksamkeit für den Landesparteitag der Berliner Christdemokraten am Wochenende nicht, dass der Altkanzler kurz zuvor gestorben war. Dabei war interessant, was sich bei den rund 300 Delegierten abspielte. Sie machten die im Dezember eingesprungene neue Parteispitze aus Chefin Monika Grütters und Generalsekretär Stefan Evers zu einer dauerhaften Angelegenheit für zumindest die nächsten beiden Jahre. Was nicht sicher war, nachdem Evers im Dezember noch im ersten Wahlgang durchgefallen war.

Nun bekam er 77 Prozent, Grütters 83. Das sind für Berliner CDU-Verhältnisse akzeptable Ergebnisse, auf denen sich bauen lässt. Die CDU führen jetzt zwei vor Langem zugereiste NRWler, eine ledige 55-jährige Katholikin und Ministerin und ein schwuler 37-Jähriger der Generation Facebook. Man kann das natürlich als bloßes Schubladendenken abtun – aber solche Personalentscheidungen waren lange alles andere als prägend für die Christdemokraten, die sich über Jahrzehnte allein an Vater-Mutter-Kinder-Familien orientierten. Die Urlaubsfotos von Kohl, die anlässlich seines Todes wieder zu sehen waren, erinnern anschaulich daran.

Es ist also durchaus eine Chance zum Neubeginn, den Grütters mit mehr Frauen im Vorstand unterstrichen hat. Dass derzeit gleich drei Umfrageinstitute die CDU als stärkste Partei in Berlin sehen, erstmals seit Herbst 2014, ist dem Spitzenduo allerdings nicht zuzuschreiben. Da schlagen nach Meinung fast aller Experten der Merkel-Boom und der abgefahrene Schulz-Zug auf die Landesebene durch.

Doch auch wenn sie nun deutlich über den blamablen 17,6 Prozent der Abgeordneten­hauswahl im September liegt – einer Mehrheit ist die CDU keinen Schritt näher als damals. Die rot-rot-grüne Koalition kommt annähernd nämlich weiter auf ihr damaliges Wahlergebnis von rund 52 Prozent. Immerhin ist die Umfrageführung gut für die Motivation der Mitglieder, vor allem im Bundestagswahlkampf. Die nächste Abgeordnetenhauswahl ist zwar offiziell noch über vier Jahre weit weg. Doch Dreierkoalitionen seien zerbrechlich, war vor einigen Wochen zu hören. Der, der so etwas bei einem Essen mit der Wirtschafts- und Medienelite der Stadt sagte, kennt sich aus eigenem Erleben gut damit aus: Es war der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Stefan Alberti