Ma Long oder Fan Zhedong

Tischtennis Bei der WM in Düsseldorf herrschte vorzeitig die übliche Langeweile: Die ChinesInnen sind immer noch zu übermächtig. Einzig ein 13-jähriger Japaner schickt sich an, ihre Dominanz zu brechen

Weltmeisterin: Ding Ning und das Ding Foto: dpa

Aus Düsseldorf Hartmut Metz

Es war alles wie immer. Schon bevor am Finaltag auch nur ein Tischtennisball über das Netz flog, kehrte die übliche chinesische Langeweile ein. Die Bilanz der Chinesen seit 2005: zwölf Einzel-Finals, zwölf Titel. Bei den Damen wurde Ding Ning durch ein 4:2 über Zhu Yuling zum dritten Mal Weltmeisterin. Bei den Männern standen sich gestern (nach Redaktionsschluss) Fan Zhedong und Ma Long im Finale gegenüber.

Letzterer hatte Tags zuvor im Viertelfinale den letzten Europäer aus dem Turnier gekegelt: Timo Boll. Der 36-jährige Altmeister spielte so gut wie zuletzt 2011, als er in Rotterdam WM-Bronze holte. Der Lokalmatador von Borussia Düsseldorf hatte aber das Pech, relativ früh im Turnier seinem Doppelpartner gegenüberzustehen. Mit Ma war er im Doppel wegen einer ungünstigen Auslosung in Runde drei an den späteren Weltmeistern Fan und Xu Xin gescheitert. Im direkten Duell keimte der Glaube an ein Wunder im Publikum. Doch den Titelverteidiger beeindruckten die frenetischen „Timo, Timo“-Schlachtrufe aus 8.000 Kehlen nur wenig, Ma drehte den kritischen sechsten Satz. Boll, der als erster Deutscher überhaupt zum vierten Mal in Folge im WM-Viertelfinale stand, zeigte sich trotz des 2:4 zufrieden: „Meine Leistung war sehr, sehr gut. Natürlich bin ich auch etwas traurig. Es ist ärgerlich, dass ich am Schluss die 8:4-Führung nicht durchbrachte und in den Entscheidungssatz kam.“ Aber: „Ich bin nach meiner Knieverletzung wieder zurück.“

Seinen ersten großen Auftritt hingegen hatte Tomokazu Harimoto. Ein „Jahrhunderttalent, für das mir die Worte fehlen“, so der sonst so wortgewandte Dimitrij Ovtcharov. Während der Deutsche im Achtelfinale am Japaner Koki Niwa scheiterte, stieß das 13-jährige japanische Wunderkind bis ins Viertelfinale vor. Jeder fürchtete die Niederlage gegen den Jungen. In Runde zwei düpierte er Landsmann Jun Mizutani – obwohl er den Olympia-Dritten zuvor noch nie schlagen konnte. Harimoto befand, nachdem er fleißig Autogramme gegeben hatte: „Tischtennis hat nichts mit dem Alter zu tun.“

Bei ihm mag dies zutreffen – bereits mit zwei Jahren kletterte er auf einen Stuhl und spielte die ersten Bälle auf die Platte. Inzwischen absolviert der schmächtige Junge die Schule nebenher und interessiert sich ein bisschen für Baseball. Ansonsten wird er von seinem Vater, der einst als Trainer aus China kam, „jeden Tag neun Stunden“ lang gedrillt. Ein Pensum, das Boll grinsend kommentierte: „Damit hat die ,Granate' schon mehr im Leben trainiert als ich.“

„Ich habe früher alle Rekorde aufgestellt“, erinnerte sich Mizutani nach seiner Niederlage emotionslos und fügte an: „Tomokazu bricht sie nun alle.“

2015 schlug der Knirps zwei Spieler aus den Top 100 und rückte selbst in diesen erlauchten Kreis auf. Mit zwölf wurde der Wunderknabe sensationell jüngster U18-Weltmeister.

„Tischtennis hat nichts mit dem Alter zu tun“

Tomokazu Harimoto

Nun würgte erst Xu Xin – Spitzname Anakonda – Harimoto ab. Einen Satz musste der Weltranglistendritte und nun dreifache Doppel-Weltmeister (diesmal mit Fan) ihm allerdings überlassen. „Ich kam mit seinem Spin nicht zurecht, daran muss ich noch arbeiten“, erkannte der 13-jährige selbstkritisch. Seine unbarmherzige Rückhand-Peitsche allein reichte gegen den Chinesen noch nicht aus.

Die Supermacht ist gewarnt. Während Europa zum Auslaufmodell zu werden droht, sicherte sich Japan fünf der insgesamt 20 WM-Medaillen. Den Titel im Mixed hatten die Trainer abgeschenkt und Fang Bo Partner der Berlinerin Petrissa Solja abkommandiert – im Halbfinale vergaben die beiden jedoch eine 3:1-Satzführung gegen die neuen Weltmeister Maharu Yoshimura und Kasumi Ishikawa – und holten Bronze.

Als bedrohlich empfinden die Chinesen vor allem die Entwicklung von Harimoto. „Erst einmal müssen sie über ihn ein 150-seitiges Dossier wie bei mir anfertigen“, ahnt Boll die Verfahrensweisen des akribischen Trainerstabs voraus. Japan indes rüstet sich für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Mizutani ist „froh, dass Tomokazu bei mir in der Mannschaft spielt“. Harimoto will dann mit 17 den nächsten Rekord für die Ewigkeit aufstellen. Verbreiteten bisher die chinesischen Trainer, dass sie „nachts nicht ruhig schlafen können“, solange Boll noch spielt, bereitet ihnen nun ein 13-Jähriger schlaflose Nächte.