Kopftuchstreit in der feministischen Szene: „Es geht um unsere Frauen“

In Hamburg haben sich die islamische Schura und die feministische Sisterhood vom Frauenmarsch der Kulturbrücke distanziert. Özlem Nas erklärt, warum.

Frauen tragen Kapuzen und Regenschirme sowie ein Transparent mit den Worten "Selbstbewusst und selbtsbestimmt" durch die Hamburger Innenstadt.

Kapuzen willkommen, Kopftuch nicht? Der Hamburger Frauenmarsch war spärlich besucht Foto: dpa

taz: Frau Nas, haben Sie sich als Frau mit Kopftuch von dem Aufruf zum Frauenmarsch angegriffen gefühlt?

Özlem Nas: Ich habe ein dickes Fell, aber viele Frauen verletzen Aussagen wie die von Hourvash Pourkian von der Kulturbrücke: Ein Kopftuch zu tragen, sei mit Emanzipation und Feminismus nicht zu vereinbaren, hatte sie gesagt. Man kann nicht sagen, man macht einen Marsch für alle Frauen minus die Frauen mit Kopftuch, weil man die durch den Marsch noch aufklären müsse. Das ist ein Überstülpen von Unmündigkeit. Es geht um die Sache: Wenn eine Gruppe von Menschen aufgrund eines äußeren Merkmals ausgeschlossen wird, ist das problematisch.

War es also die richtige Entscheidung, den Marsch am Wochenende zu boykottieren?

Wir haben nicht plötzlich etwas boykottiert, sondern es gab einen Diskussionsprozess. Die VeranstalterInnen haben aber dennoch an der zwischenzeitlich veränderten Haltung festgehalten. Wenn Sie eingelenkt hätten, hätte ich auch sofort gesagt, dass wir mitlaufen. Bei einem Frauenmarsch müssen sich aber alle Frauen willkommen fühlen.

Haben Sie das nicht?

Wir als Schura wurden gar nicht erst mit einbezogen – genau wie andere muslimische Frauengemeinschaften. Wir haben über Dritte erfahren, dass es einen solchen Marsch gibt.

Warum haben Sie sich dann mit Sisterhood von dem Aufruf distanziert?

Ich kenne einige Frauen von Sisterhood. Eine von Ihnen hat mich gefragt, ob ich von den Kopftuch-Äußerungen gehört habe. Für mich war klar, dass wir als Schura sie unterstützen. Es geht ja um unsere Frauen.

43, hat Turkologie, Erziehungswissenschaft und Psychologie studiert und ist Bildungsbeauftragte der Schura.

Hätten Sie nicht besonnener auf die Aussage einer Einzelperson reagieren müssen?

Es ging nicht nur um diese Kopftuch-Aussage, sondern auch um die eingeladenen Rednerinnen und die Kommunikation. Bei Rednerinnen wie Necla Kelek ist die Stoßrichtung einer anti-islamischen Weltanschauung bekannt. Sie unterstützt auch Thilo Sarrazins umstrittene Thesen. Für Frauen mit Kopftuch ist es schwierig, an einem Marsch mit solcher Färbung teilzunehmen.

Entsteht durch den Boykott nicht ein Riss an der falschen Stelle?

Ja, aber die Ursache ist, dass eine Sache, die anders angekündigt war, im Nachhinein geändert wurde. Und zwar so, dass viele gesagt haben, das können wir nicht mehr unterstützen. Über 20 Organisation sind abgesprungen und die hatten auch ihre Gründe.

Freuen Sie sich darüber?

Nein, wir sagen nicht: Juhu, Sieg! Sondern ganz im Gegenteil: Ich war sehr traurig, als ich gesehen habe, dass aufgrund der Komplikationen so wenige Leute da waren. Viele haben den Prozess dahinter wahrscheinlich ohnehin gar nicht mitbekommen.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Wir wollen den Konflikt produktiv nutzen und uns aufeinander zu bewegen. Ich habe Frau Pourkian bereits geschrieben, dass ich mit ihr gerne alles reflektieren würde, wenn der Stress vorbei ist. Wir sind auch gegen Zwang und patriarchale Unterdrückung. Ich hoffe, wir schaffen es, im nächsten Jahr gemeinsam etwas zu veranstalten, bei dem sich alle wertgeschätzt fühlen.

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