Saarland

Die SPD im Dilemma: Legt sie sich auf ein Bündnis fest, riskiert sie Wählerstimmen. Lässt sie es, erscheint sie unglaubwürdiger

Vorteil Kramp-Karrenbauer

Wahlanalyse Erstmals seit Langem kann die AfD nicht von der höheren Wahlbeteiligung profitieren. Der Amtsbonus für viele Wähler entscheidend

BERLIN taz | Ihren Wahlsieg hat die saarländische CDU vor allem zwei Trends zu verdanken: Annegret Kramp-Karrenbauer konnte einen Großteil ihrer CDU-Stammwähler (75 Prozent) von sich überzeugen. Zum anderen konnten die Christdemokraten erfolgreich auf Stimmenfang bei der SPD gehen.

Zudem lassen sich zwei weitere Trends beobachten, so die Wahlforscher von infratest-dimap. So folgten aus der mit knapp 70 Prozent hohen Wahlbeteiligung im Saarland keine großen Stimmengewinne für die AfD. Nur 13.000 ehemalige Nichtwähler machten ihr Kreuz bei der AfD. Bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern 2016 konnte die AfD dagegen viel mehr Stimmen erhalten – in Mecklenburg-Vorpommern gewann die Partei 55.000 von insgesamt 126.000 früheren Nichtwähler-Stimmen. Im Saarland kam die hohe Wahlbeteiligung dagegen vor allem den Christdemokraten zugute. 28.000 ehemalige Nichtwähler wechselten zu ihr. Die SPD hingegen holte durch die hohe Wahlbeteiligung deutlich weniger Stimmen, von den Nichtwählern gewann sie lediglich 13.000. Die saarländischen Sozialdemokraten können auch als „gewinnende Verliererin“ bezeichnet werden. Denn im Vergleich zur Landtagswahl im Jahr 2012 hat die SPD einen Prozent der Stimmenanteile verloren, aber absolut betrachtet Stimmen hinzugewonnen (+10.700 bzw. 7,3 Prozent). Somit lässt sich nicht behaupten, dass der „Schulz-Effekt“ keinen positive Wirkung hatte, zumal das SPD-Ergebnis besser als in den Umfragen vor Januar 2017 ausgefallen ist.

Die saarländische AfD blieb hingegen mit 6,2 Prozent weit von einem zweistelligen Ergebnis entfernt. Es scheint, als hätte die Dynamik des Jahres 2016 mit immer höheren AfD-Wählern ein Ende gefunden. Dabei bleibt allerdings offen, welchen Einfluss die eher rechtsextremen Tendenzen des saarländischen Landesverbandes auf das Wahlverhalten hatte. Erschreckend ist, dass ein Drittel der AfD-Wählerinnen und Wähler trotzdem für die vermeintliche Alternative stimmten, obwohl sie der Meinung waren, dass sich die Partei nicht stark genug vom rechtsextremen Einfluss abgrenzen würde.

Die saarländische Linkspartei um den Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine verlor Stimmenanteile, absolute Stimmen (9.000 bzw. -11,7 Prozent) und zwei Mandate im Landtag. 17 Prozent der ehemaligen Linke-Wähler wanderten zur SPD, 6,6 zur CDU und 7,9 der ehemaligen sind verstorben.

Letzteres Phänomen traf auch die CDU. Dort sind 28 Prozent der ehemaligen Wähler verstorben. Damit verlor die Partei knapp 20.000 Wähler durch den demografischen Wandel. Deutlich wurde bei der Landtagswahl der Personalisierungseffekt. Die Wahl der Ministerpräsidentin war vielen Wählern wichtiger als Lösungvorschläge zu Sachfragen. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist in ihrem Bundesland sehr beliebt und erreichte in Umfragen Sympathiewerte von knapp 80 Prozent. 66 Prozent aller Saarländer bewerten die wirtschaftliche Lage als positiv. Ähnlich waren Amtsbonus und Personalisierung zuletzt bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr deutlich geworden, bei denen die Amtsinhaber Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) bestätigt wurden.

Weiterhin auffällig ist, dass unter den Erstwählern 40 Prozent den Urnen fern blieben – 18 Prozent stimmten jeweils für CDU und SPD. Offensichtlich herrscht unter den jungen Menschen nach wie vor ein politisches Desinteresse oder politische Orientierungslosigkeit.

Milan Panek