Einfach überall gut sein

bundesliga Beim 1:0-Sieg von Hoffenheim über Leverkusen präsentiert sich das Team von Trainer Julian Nagelsmann wie ein Champions-League-Klub. Bayer hingegen droht das Ende einer europäischen Perspektive

Ein bisschen Jubel darf sein: Sandro Wagner freut sich nach dem 1:0 Foto: dpa

Aus HoffenheimTobias Schächter

Die Frage war noch nicht zu Ende formuliert, da fiel Sandro Wagner dem Reporter freundlich, aber sehr bestimmt ins Wort: „Das war ganz klar mein Tor, der Schiedsrichter sieht es auch so, alles gut.“ Die Diskussion, ob sein entscheidendes 1:0 vielleicht nicht doch eher Leverkusens Torwart Bernd Leno zuzuschreiben sei, würgte der Hoffenheimer Mittelstürmer ab. Denn endlich stand er wieder als Torschütze in der Statistik, nach zuvor 519 Minuten ohne Treffer. Zwar wäre der Ball nach Wagners verunglücktem Versuch klar am Tor vorbeigegangen, wenn dieser nicht Leno an die Hacke und von dort ins Netz geprallt wäre (62.). Aber hey, was soll’s?

Zuletzt hatte Wagner dieses Glück nicht, aber Krise wäre ein zu großes Wort für die Leistungen des 29-Jährigen, den jüngst ein finanziell unanständiges Angebot aus China ins Grübeln gebracht hatte.

Aber es ist ja eine der großen Stärken dieser Hoffenheimer unter Trainer Julian Nagelsmann, dass Schwächephasen einzelner Spieler nicht zum Nachteil werden. In der Offensive hat sich Nagelsmann im Laufe dieser Saison fast grenzenlose Optionen geschaffen; er formuliert es so: „Ich habe die Fantasie, jeden Spieler in meinem Kader besser zu machen.“

Einen Startelfeinsatz kann man sich bei diesem Trainer verdienen, das spüren die Spieler, und das motiviert sie. Adam Szalai zum Beispiel spielt plötzlich wieder so stark wie einst in Mainz, dabei stand der Ungar im Sommer noch zum Verkauf. Trifft Wagner nicht, dann trifft eben der ähnlich wuchtige Szalai. Oder der flinke Marco Terrazzino, der in der Vorrunde fast nur auf der Tribüne saß. Und als der hochbegabte Andrej Kramaric Ladehemmung hatte, traf eben Wagner. Oder der unberechenbare Mark Uth. Der fehlt zwar derzeit verletzt, aber auch das fällt nicht ins Gewicht, weil Kramaric wieder trifft. Einer dieser vielen Hoffenheimer Stürmer trifft eben immer, am Samstag also wieder Wagner, zum elften Mal im 22. Einsatz. Das ist ein schöner Kreislauf, sagt Nagelsmann.

Mit Roberto Firmino (für 41 Millionen Euro nach Liverpool) und Kevin Volland (für 20 Millionen nach Leverkusen) verlor Hoffenheim in den vergangenen Jahren seine besten Angreifer – und ist im Offensivspiel trotzdem noch besser geworden. Volland muss nun zuschauen, wie sein neuer Club Bayer selbst das Minimalziel Europa League aus den Augen verliert, während Hoffenheim immer besser wird.

Innerhalb nur eines Jahres brachte Nagelsmann die TSG auf ein Niveau, das für die Champions League reichen könnte: Sie gewinnt nun enge Spiele, sie verteidigt plötzlich einen Vorsprung souverän, sie spielt spektakulär Fußball.

Dabei erwecken die Auftritte dieser Elf nicht den Eindruck, als spiele hier ein Emporkömmling über seinem Limit. Das Gegenteil ist der Fall: Man traut dieser Mannschaft noch mehr zu. Nagelsmann ist ein begabter Spieledeuter; ihm gelingt es, seiner Elf während einer Partie durch Einwechslungen, Umstellungen und taktische Anweisungen immer wieder entscheidend zu helfen. Aber der 29-Jährige weiß auch: „Es geht nicht immer nur geradeaus im Leben.“

Niemand weiß das besser in seinem Kader als Sandro Wagner. Dass er nicht für die kommenden Länderspiele der Nationalmannschaft nominiert wurde, nahm Wagner sportlich. „Jogi Löw hat sich anders entschieden, das akzeptiere ich. Ich werde weiter Gas geben, wenn ich irgendwann mal nominiert werden sollte, freue ich mich, wenn nicht – dann ist das auch okay.“