Die Utopie mit dem Messer seziert

Auftragskiller Regisseurs Sabu gelingt in „Mr Long“ die angestrebte Genresubversion nur sehr bedingt (Wettbewerb)

Langsam streift die Kamera durch den tempelartigen Raum, die Ornamente der Wände verwischen in der Unschärfe des Hintergrunds. In einem Nebenraum: fünf Kleinkriminelle, die von ihren absurden Eskapaden erzählen, bis fast schon Lagerfeuerstimmung aufkommt. Ein paar Messerstiche und abgetrennte Gliedmaßen später liegen die fünf tot auf dem Boden und der Messerschwinger wird vom Auftraggeber nach Japan geschickt, um einen Möchtegernmafioso zu meucheln.

Doch dann versagt Mr Long, so der Name im Pass des Messerstechers, und muss sich selbst aus der Affäre ziehen. In einer verfallenen Siedlung findet er Unterschlupf und berappelt sich – von einem kleinen Jungen mit Verbandszeug und Essen versorgt – alsbald wieder. Mehr noch: Seine Kochkünste versetzen die Bewohner der Siedlung derart in Verzückung, dass sie ihm einen fahrbaren Imbissstand bauen. Gemeinsam mit dem Jungen und seiner ehemals drogenabhängigen Mutter scheint in den wenigen Tagen, bis die Fähre von Yokohama zurückgeht, mit einem Mal ein friedliches Familienleben möglich. Alle lieben Mr Long, weil er cool ist und nicht viel sagt, wie ihm der Junge einmal beiläufig erklärt.

„Mr Long“, der neueste Film des japanischen Regisseurs Sabu, entlockt dem Gangsterfilm, den er in der Eingangssequenz skizziert hat, eine utopische Verheißung des Glücks. Doch so recht will dem Film die Balance zwischen dem Leben Mr Longs als Auftragskiller, der Tragödie der drogensüchtigen Mutter und der Utopie nicht gelingen, zu zäh gerät dem Film die Darstellung der Letzteren, zu groß sind die Längen. Anders als ähnlich gelagerte Versuche der Genresubversion im asiatischen Kino wie Sammo Hungs „The Bodyguard“ gelingt es Sabu nicht wirklich, die Gewaltszenen und die schrille Komik zu verschmelzen.

Getragen wird der Film von zweierlei: der beinahe sprachlosen Coolness von Chang Chens Verkörperung des Mr Long und von der Kameraarbeit, die eine eigene Logik entfaltet: Während der Film über weite Strecken mit geringer Schärfentiefe gedreht ist, die Welt immer wieder in gemusterte Wände verflacht wird, vor denen die Schauspieler agieren, vertiefen sich ganz zum Schluss die Räume. Als hätten die Protagonisten schlussendlich doch noch ihr Verhältnis zur Welt gefunden. Fabian Tietke

19. 2., 12.15 Uhr, Haus der Berliner Festspiele