„Ausgerechnet Tækker, jahrelang als Heuschrecke Nummer eins verschrien, lenkt ein. Was ist da los?“

Das bleibt von der Woche Die Polizei bekommt testweise den Taser, in der Lausitzer Straße haben MieterInnen im Kampf gegen die Immobilienspekulation einen Stich gemacht, die neue Koalition kann durchaus Einigkeit, und auf Andrej Holm folgt Sebastian Scheel als neuer Staatssekretär für Wohnen

Mit Elektroden im Einsatz

Taser im Test

Die Einschätzung darüber, wie ­gefährlich Taser sind, variiert gewaltig

20 Berliner Polizisten sind seit Montag um ein Einsatzmittel und einige Probleme reicher. Für eine dreijährige Testphase tragen die Beamten nun einen Taser mit sich, ein sogenanntes Distanz-Elektroimpulsgerät. Was das allerdings soll, vermag so recht niemand zu beantworten. Vielleicht müsste man den Erfinder dieses Modellprojekts, den damaligen Innensenator Frank Henkel, fragen. Kann man aber auch lassen.

Taser gelten als Einsatzmittel zwischen Schlagstock und Pfefferspray auf der einen und der Schusswaffe auf der anderen Seite. Mittelhart, mittelgefährlich. Die Einschätzung darüber, wie gefährlich sie sind, variiert jedoch gewaltig. Nach der Berliner Rechtslage sind Taser dem Gebrauch der Pistole gleichgestellt. Eingesetzt werden dürfen sie nur in Notwehr- und Nothilfesituationen oder zur Vereitelung einer Flucht. In derartigen Situationen sind Taser aber fast immer die schlechteste Wahl.

Ihre Pistole ziehen Polizisten vor allem dann aus dem Holster, wenn sie angegriffen werden, fast immer ist dabei ein Messer im Spiel. Wie etwa vor knapp zwei Wochen, als Beamte in eine Hohenschönhauser Wohnung eindrangen, plötzlich attackiert wurden und daraufhin schossen. Der psychisch kranke Mann starb. Eine für den polizeilichen Schusswaffengebrauch typische Situation. In Situationen wie dieser kann ein Taser aber nicht helfen. Denn die Geräte funktionieren nur über eine Entfernung von vier bis sechs Metern und schon gar nicht in dynamischen Situationen. Sie entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn zwei Metallspitzen, die als Elektroden dienen, den Körper treffen. Kommt ein Angreifer zu nah oder ist nicht sicher zu treffen, kann die Entscheidung für den Taser für die Polizisten lebensgefährlich sein.

Weil das auch die Gewerkschaft der Polizei so sieht, fordert sie eine Gesetzesänderung, die die Einsatzmöglichkeiten ausweitet. Taser sollten nicht nur dann erlaubt sein, wenn sie sinnlos und gefährlich sind, sondern schon vorher. Die Folge davon wäre jedoch die Eskalation polizeilichen Alltagshandelns. Auch das kann niemand außerhalb der Polizei wollen, zumal die Waffe, vor allem für herzkranke Menschen, potenziell tödlich ist. Und weil Polizisten stets das geringste Mittel einsetzen müssen, drohen im Zweifel auch noch rechtliche Folgen. Wer Polizisten schützen will, sollte auf Taser verzichten. Erik Peter

Lieber den Ruf retten

Kreuzberger Häuserkampf

Tækker scheint nicht mehr auf so enorme Profitspannen ­angewiesen zu sein

Dass sie so schnell Erfolg haben könnten, hatten die MieterInnen der Lausitzer Straße 10 und 11 selbst nicht gedacht: In einem Gespräch am Mittwoch, das sie überhaupt erst durch eine Protestaktion erzwungen hatten, sicherte ihnen die Eigentümerfirma Tækker zu, den Verkauf der Häuser vorerst zu stoppen. Man sei an einer langfristigen Lösung gemeinsam mit den MieterInnen interessiert, lässt das dänische Unternehmen verlauten.

Was das bedeutet, ist noch unklar. Trotzdem: Ausgerechnet Tækker, jahrelang als Heuschrecke Nummer eins auf dem Berliner Immobilienmarkt verschrien, lenkt ein. Was ist da los?

Auf den zweiten Blick ist das Verhalten der Dänen nicht mehr ganz so unerklärlich. Denn zum einen hätten die protestwilligen und -erprobten MieterInnen – das Haus wird vor allem von linken Organisationen und AktivistInnen genutzt – tatsächlich kaufwillige Interessenten abschrecken können.

Außerdem, und das ist der wichtigere Grund, scheint Tækker, anders als noch vor kurzer Zeit, nicht mehr auf so enorme Profitspannen angewiesen zu sein: Das Ziel des Konzerns, sich nach großen Verlusten im Zuge der internationalen Finanzkrise am Berliner Immobilienmarkt gesundzusanieren, scheint erreicht. Den Großteil der hier erworbenen Häuser hat Tækker inzwischen bereits mit beträchtlichem Gewinn weiterverkauft, dem Vernehmen nach will der Konzern sich aus dem Berliner Immobilienmarkt zurückziehen.

Still und leise noch die eigentlich anvisierten 19 Millionen für das Gebäude in der Lausitzer Straße einzustreichen – dagegen hätte der Konzern sicher trotzdem nichts gehabt. Das aber haben die MieterInnen mit ihrer schlauen Öffentlichkeitsarbeit unmöglich gemacht. Stattdessen war klar: Der angestrebte Verkauf würde mit einem gewaltigen Imageschaden für die Dänen einhergehen, die doch gerade erst den Staffelstab, die böseste Immobilienfirma Berlins zu sein, an andere Unternehmen weitergereicht haben. Auf einen Teil des Gewinns zu verzichten und dafür den Ruf zu retten, scheint für das nach außen sehr auf Nachhaltigkeit bedachte Unternehmen da die bessere Strategie zu sein. Genau so kann Mieterprotest Erfolg haben. Malene Gürgen

Gemeinsam bei der Arbeit

Der Kitt der Koalition

Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Finanzsenator Kollatz-Ahnen zu

Pressekonferenzen nach Senatssitzungen sind eine zwiespältige Sache. Regierungsmitglieder können gut dastehen und viel Aufmerksamkeit bekommen. Oder in Gesichter gelangweilt-genervter Journalisten schauen, wenn sie den Job haben, mit einem drögen Thema von den eigentlich wichtigen, aber lieber unter der Decke gehaltenen Nachrichten abzulenken. Im ersten Fall will sich selten einer die Show stehlen lassen, im zweiten bei so einem Opfergang gar niemand anders dabei sein.

Neuerdings scheint das anders zu sein. Am Dienstag saßen bereits zum zweiten Mal binnen der wenigen Wochen seit Bildung des rot-rot-grünen Regierung die Sozialsenatorin von der Linkspartei und der Finanzsenator mit dem SPD-Parteibuch zusammen und erzählten den Journalisten Neues in Sachen Flüchtlingsmanagement. Sie ergänzten sich, überließen sich wechselseitig Antworten, spielten sich auch mal den Ball zu. In der vergangenen Wahlperiode unter Rot-Schwarz gab es das unter Senatoren nur ganz selten und nie in mehrfachem Doppelpack.

Dass das nun anders läuft, hat weniger mit der neuen Regierungskonstellation zu tun – dass es da sehr haken kann, hat die Debatte über den Kurzzeitstaatssekretär Holm gezeigt. Nein, eine zentrale Rolle kommt dabei dem Mann zu, der am Dienstag neben der Sozialsenatorin Elke Breitenbach hockte: Matthias Kollatz-Ahnen, dem Finanzsenator. Der saß zwar im Herbst auch mal mit dem damaligen CDU-Sozialsenator vor den Journalisten – aber damals konnte man stark das Gefühl haben, das geschehe bloß zur gegenseitigen Kontrolle.

Mit Breitenbach geht Kollatz-Ahnen neue Wege bei den Flüchtlingsunterkünften, Bausenatorin Katrin Lompscher, ebenfalls Linkspartei, springt er zur Seite, wenn es darum geht, Mieterhöhungen in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften rückgängig zu machen. Und die Grünen erzählen, es habe viel an Kollatz-Ahnen gelegen, dass man sich beim Sozialticket für Bus und Bahn ohne allzu viel Konflikt auf einen Zuschuss einigen konnte, der über dem eigentlich geplanten lag.

Kultursenator Klaus Lederer, der dritte der drei Linkspartei-Senatoren, hat im taz-Interview am Dienstag die Zusammenarbeit in der Koalition verglichen „mit diesen TV-Shows, in denen Leute in Containern oder im Dschungel sitzen und gemeinsam Aufgaben lösen müssen, damit jeder von ihnen am Ende erfolgreich sein kann“. Mal abgesehen davon, dass es im besagten Dschungelcamp am Ende immer nur einen Sieger gibt: Sein Ziel, über Parteigrenzen hinweg gemeinsam Probleme anzugehen, scheint bislang bei Rot-Rot-Grün der SPD-Mann Kollatz-Ahnen am besten zu verstehen – ausgerechnet der Mann, der erst vor etwas mehr als zwei Jahren nach Berlin kam. Stefan Alberti

Neu in der Mercedes-Stadt

Scheel folgt Holm

Eine Destination, wo man eigentlich nur eins möchte: … (es beginnt mit k)

Berlin hat einen neuen Baustaatssekretär. Oder, um das mal klarzustellen – weil es doch nicht nur ums Bauen geht, bei dem man ja heutzutage leider immer gleich Kapital, Rendite, Spekulation und teuer, teuer, teuer mitdenkt, womit das Problem der Hauptstadt ziemlich klar umrissen wäre –, der Neue ist Staatssekretär fürs Wohnen. Gut so, weil es ja vor allem um die geht, die schon hier hausen, aber nicht sicher sind, ob sie bleiben können, obwohl sie einen Mietvertrag haben, der häufig nicht viel mehr wert ist als das Papier, auf dem er steht, wegen Kapital, Rendite, Spekulation und teuer, teuer, teuer. Sie wissen schon.

Das ist alles nichts Neues. Neu ist nur, am Dienstag wurde er mitgeteilt, der Name des Sekretärs: Sebastian Scheel. Er ist der zweitbekannteste Staatssekretär aller Zeiten, auch wenn man nicht viel über ihn weiß, außer dass er von der Linkspartei kommt, trotzdem Anzüge trägt, was unwichtig ist, irgendwie smart wirkt, was aber auch täuschen kann, und sich bisher wenig mit Wohnungspolitik beschäftigt hat, was aber nichts heißen muss. Was ihn so bekannt macht? Er ist nicht Andrej Holm – der der bekannteste Staatssekretär aller Zeiten bleiben wird. Trotz allem.

Mit anderen Worten: Die Politik läuft jetzt wieder auf Normalbetrieb, was einem fast egal sein könnte, wenn es diese Woche nicht auch noch diese Meldung gegeben hätte: „Grundsteinlegung für die UCI Kinowelt am Mercedes-Platz“. Das ist diese zugige Brache zwischen East Side Gallery und der Mehrzweckhalle, die mittlerweile auch wie das dicke Auto heißt. „Für unsere Vision für den Mercedes-Platz ist es wichtig …“, schwafeln die Investoren, rhabarbern dann so Sätze wie: „Das Projekt zu einer einzigartigen Destination in Berlin zu machen ...“, und verschicken eine Computeranimation des Grauens, auf der schicke Zombies über eine Allerweltsfläche tapern, die auch Oberhausen sein könnte, Wolfenbüttel, Wuppertal, und wo man eigentlich nur eins möchte: … (es beginnt mit k).

Zum Glück muss man da ja nicht hin. Man muss dieses Mahnmal des Ausverkaufs der Stadt nicht besuchen – solange es noch ein paar andere Ecken in Berlin gibt, an denen man leben kann. Die man noch bezahlen kann, weil dort nicht das Kapital regiert.

Genau das sollte er irgendwie hinbekommen, der Herr Scheel. Alles andere ist dann wirklich egal. Gereon Asmuth