Eine Frau an der Staatsspitze?

Iran Exgesundheitsministerin Wahid Dastdscherdi könnte bei der Präsidentenwahl im Mai Amtsinhaber Hassan Rohani herausfordern. Das wäre eine große Sensation

Erzkonservativ und frauenfeindlich: Wahid Dastdscherdi Foto: picture alliance

Von Bahman Nirumand

BERLIN taz | Im Iran wird derzeit darüber gestritten, ob in der Islamischen Republik eine Frau das Amt des Staatspräsidenten übernehmen kann. Den Anlass dazu gab die Nachricht, die ­frühere Gesundheitsministerin Marsieh Wahid Dastdscherdi wolle bei den Wahlen im Mai gegen den amtierenden Präsidenten Hassan Rohani antreten.

Die stets mit einem schwarzen Schleier verhüllte Ärztin ist die einzige Frau in der Islamischen Republik, die ein Ministeramt innehatte. Und dies auch noch unter dem erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der ihr die Leitung des Gesundheitsministeriums übertragen hatte.

Dastdscherdi saß auch zwei Wahlperioden lang als Abgeordnete im Parlament und hatte eine leitende Funktion an der medizinischen Fakultät der Teheraner Universität. Die 56-Jährige, die Sprecherin der neu gegründeten „Populären Front revolutionärer Kräfte“ ist, vertritt frauenfeindliche Positionen. Sie war es, die eine Trennung von Frauen und Männern in Krankenhäusern forderte und die UN-Konvention gegen Diskriminierung von Frauen ablehnte.

Inzwischen hat Dastdscherdi die Nachricht über ihre Kandidatur dementiert. „Dass ich als Kandidatin für das Amt des Staatspräsidenten genannt wird, ist eine Lüge“, sagte sie. Dennoch hat die Nachricht die Diskussion darüber entfacht, ob eine Frau dazu geeignet sei, die Regierung zu führen.

Die Verfassung der Islami­schen Republik gibt darauf keine eindeutige Antwort. Sie betont lediglich, dass der Staatspräsident aus den Reihen der politischen redschal kommen muss. Das Wort „redschal“ ist zweideutig. Es kann „Männer“ bedeuten oder „Persönlichkeiten“.

Der Wächterrat, das Gremium, das für die Auslegung der Verfassung zuständig ist, hat bislang in dieser Frage keine eindeutige Position bezogen. Im Gegenteil. Der Rat, der vor der Wahl über die Eignung der Kandidaten entscheidet, hat zwar Frauen nicht untersagt, sich für das Amt des Präsidenten zu bewerben, aber stets Frauen, die sich beworben hatten, abgelehnt.

Da die Ablehnung aber nicht begründet wurde und der Rat auch männliche Bewerber abgelehnt hat, bleibt ungewiss, ob die Frauen wegen ihres Geschlechts abgelehnt wurden oder weil ihnen die erforder­lichen Voraussetzungen fehlten.

Wahid Dastdscherdi forderte die Trennung von Männern und Frauen in ­Krankenhäusern

Die Wahl einer Frau zum Staatspräsidenten in der Islamischen Republik wäre eine Sensation – selbst dann, wenn die Gewählte so erzkonservativ und frauenfeindlich wäre wie Dastdscherdi. Die meisten geistlichen Instanzen, die Großajatollahs, sind dagegen, dass Frauen hohe Ämter übernehmen.

Das zeigte sich auch in den heftigen Debatten, die über die Nominierung Dastdscherdis als Ministerin für Gesundheit im Parlament stattfanden. Nur eine knappe Mehrheit stimmte damals zu.

Der amtierende Staatspräsident Hassan Rohani hatte bereits vor seiner Wahl erklärt, er werde weitaus mehr als bisher das Potenzial von Frau­en für die Verwaltung und Entwicklung des Landes einsetzen. Da er aber wohl befürchtete, dass er für den Einsatz von Frauen als Ministerinnen nicht die Zustimmung des Parlaments erhalten und es Proteste seitens religiöser Instanzen geben würde, zog er es vor, Frauen zu Vizepräsidentinnen zu ernennen. So sind von den elf Vizepräsidenten drei Frauen. Sie sind für Frauen und Familie, Umwelt sowie juristische Fragen zuständig.

Rohanis Versprechen, das Potenzial der Frauen zu nutzen, wurde, betrachtet man die unteren Ebenen der Verwaltungshierarchie, nicht eingelöst. Von den mehr als 100 Posten für Vizeminister sind nur 2 von Frauen besetzt. Auch im Parlament sind von den 289 Abgeordneten lediglich 17 Frauen.