Aus der Krise wachsen

EURO Sigmar Gabriel stellt ein Buch zur Krise vor. Doch sein Lösungsvorschlag dürfte zu wenig sein

Ob sein Buch wohl die Eurozone retten wird? Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | „Wir wollen eine europäische Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken, um in Europa mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen“, klingt es optimistisch im Wahlprogramm der SPD. Und: „Die Währungsunion muss getragen werden von einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik aller Mitgliedsländer.“

Das Problem: Es ist das SPD-Wahlprogramm von 1998. Gekommen ist es dann bekanntlich anders: Eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik aller Mitgliedsländer gibt es bis heute nicht, die Eurokrise ist ungelöst. Populistische Parteien gewinnen an Zulauf.

Am Dienstagabend stellte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin nun ein neues Buch mit dem vielversprechenden Titel „Die Zukunft der Eurozone. Wie wir den Euro retten und Europa zusammenhalten“ vor. Der Band ventiliert sehr detailliert einige der keynesianischen Ideen für die EU, die den deutschen Austeritätspolitikern um Merkel und Schäuble nicht gefallen. Verfasst hat ihn unter anderem Gabriels neuer Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik, Philipp Steinberg, der für Schritte Richtung Fiskalunion plädiert.

„Wenn einem auf der Autobahn die Lichter entgegenkommen, darf man gelegentlich fragen, ob man auf der richtigen Spur ist“, sagte Gabriel und unterstützte damit die breite internationale Kritik an der Europolitik der Bundesregierung, die den Süden Europas in die Verarmung geführt habe. Den SPD-Chef treibt um, dass die „Arbeiterklasse“ (Gabriel) in Referenden in Irland, Großbritannien und den Niederlanden gegen die EU gestimmt hat: „Das sind Menschen, die hart arbeiten, sich aber am europäischen Projekt nicht mehr beteiligt fühlen.“

So fordert Steinbergs Vorgänger Jeromin Zettelmeyer in dem Band ein Eurozonenbudget, das gezielt für Infrastrukturprojekte oder auch Sozialausgaben in den Eurostaaten eingesetzt werden soll. Besonders hoch ist es allerdings nicht: Es soll „mindestens“ 1,5 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Gabriel setzte sich für eine Abkehr von den Verschuldungsgrenzen der Eurozone ein: „Rigide Regeln, an die sich niemand hält, weil sie in der Rigidität nicht eingehalten werden können, sind auf Dauer nicht sehr glaubwürdig.“ Auch die rot-grüne Bundesregierung habe schließlich parallel zur Umsetzung der Agenda 2010 die Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung gerissen. „Sonst hätten wir noch mal 20 Milliarden Euro einsparen müssen“, sagte er.

„Regeln, an die sich niemand hält, sind nicht glaubwürdig“

Sigmar Gabriel

Spannend war der Abend vor allem, wenn Moderatorin Cerstin Gammelin (Südddeutsche Zeitung) nachhakte und Gabriel nicht mehr vom Blatt ablas. So verteidigte Gabriel die EU gegen Gammelins Einwand, es würden derzeit nur kluge Bücher zum Euro geschrieben, aber nicht gehandelt: „Man kann nicht sagen, dass in Griechenland nicht gehandelt wurde.“ Der SPD-Chef hatte das Austeritätspaket gegen die griechische Syriza-Regierung schon 2015 vehement verteidigt.

Die Krise Italiens analysierte Gabriel als Schuldenkrise der italienischen Banken, während keynesianische Ökonomen sie vor allem als Konsequenz der deutschen Dominanz durch den Euro sehen. Und auf die Schlussfrage, was er sich wünschen würde, hätte er nur einen Wunsch frei, antwortete Gabriel: „Ein ordentliches Wachstumsprogramm für Europa.“ Ob das reicht, den Euro zu retten? Auf jeden Fall bleibt es hinter dem SPD-Wahlprogramm von 1998 und den Vorschlägen des Buchs zurück. MARTIN REEH