Die Wahrheit: Bald ist Schluss mit Schland!

Der Staat in der Systemkritik: Wann geht endlich ein Ruck durch diese Republik? Experten prophezeien: Unser Land ist nicht unendlich.

Illustration: Leo Riegel

Fachleute warnen seit Jahren: Deutschland, das Land, das wir jeden Tag ohne nachzudenken benutzen, ist bei weitem nicht so selbstverständlich, wie es vielleicht oberflächlich erscheint. Die Strukturen, auf denen das Gemeinwesen aufbaut, sind marode, müssten generalüberholt und mit schicken Spiegelfliesen aufgemotzt werden.

Immer weniger Leute vertrauen deshalb inzwischen auf die Selbstheilungskräfte der Demokratie, immer weniger auf die Intelligenz des Marktes und glauben keine Meldung, die sie nicht selbst auf Facebook gefakt haben. „Deutschland ist nicht unendlich“, warnte der Club of Rome schon seinerzeit. Ein Satz, der lange nicht verstanden wurde.

Deutschland, das ist nämlich nicht nur die willkürliche Ansammlung von Grenzen, die uns die Alliierten damals aufgezwungen haben. Nach Ansicht zeitgenössischer Germanologen ist es vielmehr ein Energiefeld; es umgibt uns, durchdringt uns, hält das Universum zusammen. Aber das heißt noch nicht, dass diese Energie unerschöpflich ist. Aus der Elektrotechnik weiß man: Wenn die Leute den Glauben an eine Energiequelle verlieren, schwindet auch deren Kraft.

Noch reichen die nationalen Deutschtumsvorräte, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Doch warnen Experten, dass wir schon in wenigen Jahren „Peak German“ erreicht haben könnten. Gerade in den Grenzgebieten, in denen schon immer starke Durchmischungstendenzen messbar waren, könnten ganze Städte wegbrechen.

„Was passiert etwa, wenn wir in einer Großstadt wie Köln plötzlich Bier, Brezen und Goethezitate rationieren müssten? Und was passiert, wenn es nicht mehr genug Obrigkeit für das dazugehörige Denken gibt?“, fragte CDU-Urgestein Ruprecht Polenz kürzlich seine Frau. Seine These: Die Franzosen, ohnehin stets neidisch auf den potenten Fettsack im Osten, könnten leichte Beute wittern. Und aus „Deutschland“ würde plötzlich einfach nur „Land“.

Hunderte vorproduzierte „Tatort“-Folgen

Im Naturschutzgebiet Schorfheide hat die Regierung Merkel riesige Silos anlegen lassen, in denen Vorräte für mindestens drei Monate Deutschtumsversorgung eingelagert werden. Es geht nicht nur um Tausende Tonnen Lebensmittel, um elementare Grundzutaten der traditionellen Gerichte „Schnipo Schranke“ und „Wie immer mit Scharf“ in Trockenform. Auch das kulturelle Leben soll bevorratet werden: Hunderte vorproduzierte „Tatort“-Folgen mit garantierter Mindestkultigkeit, Dutzende deutsche Autorenfilme mit menschlichem Charme, die angeblich für Jahre reichen sollen. Eine ganze Halle ist defekten ICE-Zügen gewidmet, die im Krisenfall auf die Schienen geschickt werden können, um auch die Versorgung mit Zorn auf die Deutsche Bahn sicherzustellen. Aber was, wenn es sich um keine kurzfristige Krise handelt? Was, wenn sich die natürlichen Deutschvorkommen nicht mehr erholen?

Die natürlichen Lebensgrundlagen Deutschlands beruhen auf einem delikaten geologisch-klimatischen Gleichgewicht, das ebenfalls seit Jahren kriselt. Die Balance zwischen zu heißen Sommern, zu kalten Wintern, zu späten Frühlingen und zu frühen Ladenschlusszeiten stimmt schon seit Jahren nicht mehr, glauben viele. „Merkel hat zu viele unterschiedliche Temperaturen ins Land gelassen“, sagt auch Polenz, wenn man ihm einen Zettel mit diesem Satz gibt.

„Merkel“ ist das Stichwort, wenn Leute über die Kanzlerin sprechen. Über Jahre hinweg war sie der Inbegriff deutscher Tertiärtugenden: Unauffälligkeit, Mitläufertum und weichgespülte Ansichten. Nachdem Merkel im vergangenen Chaos-Sommer versehentlich eine politische Entscheidung traf, ist das Vertrauen in die repräsentative Demokratie erschüttert. „Wenn ich fragwürdige Willkürmaßnahmen zum Schaden des deutschen Volkes haben will, kann ich auch gleich Hitler wählen“, schrieb der politische Blogger Fefe vor Kurzem in sein Poesiealbum. „Aber ,Hitler' darf man ja in Deutschland nicht mehr sagen. Warum eigentlich nicht? Das ist doch die wahre Diktatur!“

Deutschland am Driften

Denn auch das politische System Deutschlands ruht nicht mehr ganz so sicher in sich. Es basiert heute im Wesentlichen auf dem sozialen Frieden zwischen den Tarifpartnern und den Ausbeutern, damit indirekt aber auch auf der Nutzlosigkeit der SPD, die wiederum stark von der Unbedarftheit der CDU abhängig ist. Die CDU ist jedoch mit jeder Faser auf die Lebensprozesse der Person Angela Merkel angewiesen. Zu Deutsch: Sollte Merkel plötzlich umfallen, fallen nacheinander Bundestag, Bundesrat, Pöbel-Richter Thomas Fischer und schließlich die gesamte Nachkriegsordnung, bis von Deutschland nur mehr ein atomar verstrahltes Ödland übrig ist, das noch weniger lebenswert ist als eh schon.

„Vielleicht war es ein Fehler, alles von Angela Merkel abhängig zu machen“, sagt ihr Leibarzt Dr. Hugo Müller-Vogg heute kritisch. Der Koprolalie-Experte kontrolliert Merkels Körperfunktionen absolut akribisch. Jeden Morgen wird ihr die sogenannte Tunguska-Probe abgenommen, bei der alle sieben Zwetschgen nachgezählt werden. Alle drei Monate folgt dann ein Standard-Winter-Check, wie ihn der ADAC (reformierte Lesung) vorschreibt. Müller-Vogg weiß: Mit jeder Merkelzelle stirbt auch ein Stück Deutschland, das ist die Wahrheit.

Die AfD ist an alledem natürlich nicht unschuldig. Mit ihrem auch polemisch gemeinten Motto „Merkel killen JETZT!!!!!!!“ hat sie die Grenzen des politisch Sagbaren in Deutschland erweitert. Das Problem ist: Obwohl sie sich patriotisch gibt, stärkt sie doch die Kräfte, die lieber in einem ganz anderen Land leben wollen, sei es in einem autoritärer Ständestaat, in der Vergangenheit oder in Kanada. Dadurch wird Deutschland nach rechts driften, aber auch stark nach links, nach oben und nach Süden, ins Infrarotspektrum und ins Blaue hinein.

„Die AfD gehört zu den Kräften, die die Deutschtumsvorräte derzeit am stärksten angreifen“, sagt auch der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer, „gerade durch ihre Fokussierung auf die bildungsfernen Schichten. Rechtssein bedeutet eben nicht ,Heil Hitler‘ schreien und Leute anzünden. Man muss auch Abitur gemacht haben“, warnt er, während er zur Entspannung ein Rehkitz in der Spüle ertränkt.

Goodbye Germany

Wenn der Trend anhält, werden die Monate bis zur Bundestagswahl 2017 die letzten sein in einem Deutschland, wie wir es seit seiner Gründung durch Gerhard Schröder 1998 kennen. Mit der Abwahl Merkels, ihrer standrechtlichen Erschießung hinter einer Turnhalle und der Übernahme der Amtsgeschäfte durch paramilitärische Einheiten würde ein Horrorszenario eintreten, für das derzeit nicht die geringste Wahrscheinlichkeit besteht. Doch hat Polen schon angekündigt, in diesem Fall offen zu sein, offen für Flüchtlinge aus Exdeutschland. Ähnliche Zeichen gibt es bereits aus Dänemark, Österreich und Eurodisneyland Paris.

„Vielleicht sollte das Land einfach zu gleichen Teilen unter den Nachbarn geteilt und das Inventar anschließend versteigert werden“, sagt Ruprecht Polenz träumerisch. „Die besten Regierungen entstehen schließlich im Exil. Ich sage nur Dalai Lama!“ Ob sich diese Sicht der Dinge erfüllen wird, das werden die nächsten Monate zeigen. Möge Gott uns allen gnädig sein.

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