Versuche an Heimkindern

Medizin In schleswig-holsteinischen Kinderheimen sollen Psychopharmaka getestet worden sein

Ein Arzt soll Psychopharmaka in den 1960er-Jahren in Schleswig an Heimkindern getestet haben. Dies geht aus Untersuchungen der Pharmazeutin Sylvia Wagner hervor. Sie hat Archive und historische Fachzeitschriften ausgewertet und Belege für bundesweit etwa 50 Versuchsreihen gefunden, darunter auch zwei Fälle in Schleswig-Holstein. Es sei „klar erkennbar, dass das Versuche waren“, sagte Wagner dem NDR.

In der Schleswiger Jugendpsychiatrie des damaligen Landeskrankenhauses erprobte demnach ein mittlerweile toter Arzt zwei Medikamente. Mit dem Neuroleptikum Haloperidol gab es laut NDR einen Versuch mit 65 Kindern und Jugendlichen ab drei Jahren, bei denen „Zustände geistig-seelischer Behinderung im Sinne des Schwachsinns“ festgestellt worden waren. Er wolle untersuchen, ob Haloperidol auch bei „psychomotorischen Erregungen“ seiner Patienten eine Wirkung habe, hielt er in seiner Publikation dazu fest.

1969 testete der Mediziner an 30 Kindern den Wirkstoff Encephabol, der eine Leistungssteigerung des Gehirns bei „antriebsarmen Kindern mit Hirnschäden“ bewirken sollte. In beiden Fällen habe eine Gruppe das Präparat erhalten und eine andere nicht, sagte Wagner. „Das sind ganz klar keine therapeutischen Maßnahmen, sondern Versuchsbedingungen.“ In beiden Fällen habe sie keine Hinweise auf Einwilligungen gefunden.

Die Landesregierung kündigte bereits eine Aufarbeitung der Schleswiger Fälle an. (dpa)