Von Gauklern inspiriert

NACHRUF Dario Fo ist tot. Der Nobelpreisträger wurde 90 Jahre alt

Der Theaterautor und Schauspieler Dario Fo starb am Donnerstag im Alter von 90 Jahren in einem Mailänder Krankenhaus, in dem er wegen Lungenproblemen behandelt wurde.

Geboren 1926 in einem Dorf am Lago Maggiore als Sohn eines Bahnhofsvorstehers, wurde Fo als 18-Jähriger von der Armee der faschistischen Sozialrepublik eingezogen – eine Tatsache, die sich der radikale Linke zeitlebens vor allem von rechten Kritikern vorhalten lassen musste. Nach 1945 schlug er sofort die künstlerische Laufbahn ein und begann – mit dem Wunsch, Maler zu werden – ein Studium an der Mailänder Kunstakademie. Doch schnell wechselte er das Fach und machte mit komischen Radiomonologen auf sich aufmerksam.

Den entscheidenden Schub erhielt seine Karriere allerdings, als er Franca Rame kennenlernte, Sprössling einer fahrenden Schauspielerfamilie. Die beiden gründen eine kleine Thea­terkompanie, von Anfang an ist ihre unverwechselbare Handschrift erkennbar; nicht „bürgerliches Theater“ wollen sie machen, sondern mit Farcen – die sie gern auch in Fabriken oder auf öffentlichen Plätzen zur Aufführung bringen – voller Witz harsche Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben.

Schon 1962 flogen sie deshalb aus einer beliebten Varietésendung des Staatsfernsehens RAI und waren über Jahre hinweg aus dem TV verbannt; ihrem Erfolg tat dies keinen Abbruch. Fo und Rame wurden mit ihren Stücken, wie „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ und „Bezahlt wird nicht“ zur wichtigsten Bühnenstimme der 68er. Auch international: Viele ihrer Stücke wurden etwa ins Deutsche übersetzt und auf deutschen Bühnen aufgeführt.

In Italien dagegen kam immer wieder die Polizei zu Besuch und unterbrach Aufführungen wegen vorgeblicher Verstöße gegen die Gesetze, den Anstand, die guten Sitten. Im Ausland als Autor berühmt, war Fo den Italienern vor allem ein begnadeter Schauspieler, der sich seine Inspiration bei den mittelalterlichen Gauklern holte. Und so war ausgerechnet sein Heimatland einigermaßen überrascht, als er 1997 den Literatur-Nobelpreis erhielt; vielen galt er bestenfalls als politischer Gebrauchsautor, und gerade von der Berlusconi-Rechten gab es deshalb herablassende Kommentare. Diese Feindschaft hatte er sich redlich erarbeitet: Bis zuletzt blieb er politisch aktiv. In den letzten Jahren galten seine Sympathien der Fünf-Sterne-Bewegung, auf deren Kundgebungen er auftrat. Nur die Fünf Sterne, so glaubte Fo, konnten Italiens Verhältnisse wieder zum Tanzen ­bringen. Michael Braun