Autohersteller sitzen Dieselskandal aus

Luft Seit einem Jahr ist bekannt, dass VW Software zur Abgasmessung manipuliert hat. Na und?

„Der Verkehrsminister hat einseitig Partei ergriffen“

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe

BERLIN taz | Vor einem Jahr sah es aus, als komme der Dieselmotor ins Stocken. Da erfuhr die Öffentlichkeit nicht nur, was in der Branche längst klar war: Viele Fahrzeuge stoßen im Alltag auf der Straße mehr Stickoxide aus, als die gesetzlichen Vorschriften erlauben und die offiziellen Tests vorgaukeln. Neu war vor allem, dass die US-Umweltbehörde EPA deshalb konkret wegen illegaler Abschalteinrichtungen bei elf Millionen VW-Dieselfahrzeugen ermittelte. Jetzt geht es darum, den Skandal aufzuarbeiten. In einem Untersuchungsausschuss des Bundestags wird der Skandal analysiert, auch die EU-Kommission kündigte ein härteres Vorgehen gegen VW an.

Trotzdem bilanzierte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, am Mittwoch nüchtern: „Die Automobilindustrie produziert munter weiter Fahrzeuge mit Abschalteinrichtungen und die Politik schaut zu.“

Die DUH unternimmt seit Jahren gemeinsam mit dem Verkehrsexperten Axel Friedrichs eigene Abgasmessungen, um die Angaben der Hersteller zu kontrollieren. Friedrichs bestätigt, dass Fahrzeuge aller namhaften Hersteller die Grenzwerte weiterhin überschreiten – teilweise um das Fünfundzwanzigfache.

In einem Test hatte die DUH 36 Dieselfahrzeuge überprüft, nur drei Fahrzeuge hielten sich an die gesetzlichen Vorgaben. Zudem schaltete sich die Abgasreinigung ab einer gewissen Temperatur ab. Tatsächlich sei die Anlage so zu 90 Prozent der Betriebszeiten gar nicht aktiv, so die Tester. Die Pläne des Verkehrsministeriums, bei der Nachbesserung zu erlauben, dass die Abgasreinigung nur unter 5 Grad Außentemperatur funktionieren muss, hält die DUH deshalb für eine Verletzung des EU-Rechts. Sollten Hersteller nicht verpflichtet werden, eine Abgasreinigung bei allen Temperaturen zu gewährleisten, will Resch klagen.

Reschs Kritik nach dem Skandal richtet sich überhaupt vor allem gegen die Politik. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe „einseitig Partei ergriffen“, Abmachungen zwischen der Politik und den Autoherstellern seien nicht transparent einzusehen.

Resch fordert ein härteres Vorgehen gegen die Automobilindustrie. Schließlich zeige der Dieselskandal „Züge einer organisierten Kriminalität“. Konkret müsse die Bundesregierung Autos, bei denen die Abgasreinigung nicht bei allen Temperaturen funktioniere, amtlich zurückrufen. Jonas Achorner