Ankara gegen syrische Kurden

TÜRKEI Aus dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ wird auch ein Kampf gegen kurdische Milizen. Die Regierung stockt ihre Truppen im Nachbarland auf

Türkische Panzer auf dem Heimweg nach einem Einsatz in Syrien Foto: Ismail Coskun/ap

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Gerade einmal fünf Tage sind vergangen, seit türkische Truppen mit verbündeten Kämpfern der „Freien Syrien Armee“ (FSA) die Grenze zum Nachbarland überschritten haben, und schon steckt die türkische Armee mitten im „syrischen Sumpf“. Aus dem Angriff auf den „Islamischen Staat“ (IS) ist schon nach wenigen Tagen ein heftiger Kampf gegen Einheiten der syrisch-kurdischen YPG geworden, dem militärischen Arm der DYP, der stärksten politischen Kraft in den syrischen Kurdengebieten. Bereits in der Nacht des türkischen Einmarschs in Syrien hatte der Vorsitzende der DYP, Salih Muslim, per Twitter an die Adresse Ankaras geschrieben: „Willkommen im syrischen Sumpf“. Samstag ließ er die Türkei wissen: „Die türkische Armee ist mit dem Kopf gegen die Wand geknallt.“

Die syrischen Kurden und die mit ihr verbündete türkische PKK hatten von Beginn an behauptet, der Einmarsch in Syrien diene nicht dem Kampf gegen den IS, sondern sei Teil des Krieges gegen die Kurden. Tatsächlich dient die Operation „Schutzschild Euphrat“ nach Aussagen von türkischen Regierungsmitglieder zwei Zielen: Man will das Gebiet zwischen dem Euphrat und Aleppo vom IS „säubern“ und gleichzeitig verhindern, dass Kämpfer der YPG dort einrücken.

Seit dem Kampf um Kobani im Herbst 2014 dient die YPG als US-Bodentruppe im Kampf gegen den IS. Aber die DYP/YPG verfolgt auch das Ziel, eine autonome Zone entlang der Grenze zu schaffen, die bis Afrin westlich von Aleppo reichen soll. Das will die türkische Regierung verhindern. Daher hat sie von den USA gefordert, dafür zu sorgen, dass YPG-Milizen sich über den Euphrat nach Osten zurückziehen. Doch die Kurden machen keine Anstalten, sich aus Manbidsch westlich des Flusses abzuziehen. Deshalb rücken türkische Truppen nun mit FSA-Milizen auf Manbidsch vor.

Nach Gefechten in einigen Dörfern, bei denen die YPG zwei türkische Panzer zerstörte, griff die Luftwaffe ein und bombardierte Stellungen der YPG. Dabei sollen 35 Zivilisten getötet worden sein, sagt die syrische Beobachtungsstelle in London. Die türkische Armee behauptet, 25 YPG Kämpfer getötet zu haben.

Bei türkischen Luftangriffen sollen 35 Zivilisten getötet worden sein

Während ein Teil der türkischen Truppen, die auf gut 500 Soldaten und 60 Panzer aufgestockt wurden, in Kämpfe mit der YPG verstrickt ist, marschiert ein anderer Teil auf die vom IS besetzte Stadt al-Bab in Richtung Aleppo vor. Die Stadt ist der letzte größere Ort in der Region, die noch vom IS besetzt ist.

Auf einer Pressekonferenz am Samstag beklagte sich Ministerpräsident Binali Yıldırım über die Berichterstattung westlicher Medien, namentlich des Spiegels. Es stimme nicht, dass die Kurden das Ziel der Operation seien, sondern der IS. „Zuerst wurde die Türkei beschuldigt, nichts gegen den IS zu tun. Jetzt, wo sie gegen den IS Krieg führt, wird sie wieder beschuldigt. Was soll das? Diese Leute leben offenbar auf einem anderen Stern.“